Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
wert sein, dachte Vil, der den Blick einfach nicht abwenden konnte.
Es dauerte über eine halbe Stunde, bis die Wache erschien. Auf dringenden Rat von Sed hielt sich Vil jetzt erst recht vom Kampfplatz fern. Überhaupt wirkte die Halde eigenartig leer. Nur ein paar Ratten hatten an der Blutlache geleckt, verschwanden aber, als die Stiefel der Wächter heranstampften. Die Soldaten, ein halbes Dutzend unter Führung des Triefauges, zogen ein paar Leute aus Wohnlöchern, verprügelten und befragten sie, offenbar ohne viel zu erfahren.
Vil hatte nicht den Eindruck, dass sie herausfinden wollten, was geschehen war, es sah eher so aus, als wollten sie Angst und Schrecken verbreiten. Sie durchwühlten zwei größere Wohnhöhlen, warfen alles, was darin war, hinaus, schleiften schließlich eine kreischende Alte ins Licht und verprügelten auch die. Das Triefauge trat der Wehrlosen in den Magen, als sie vor ihm auf den Boden kroch. Dabei sah er sich triumphierend um.
Vil begriff, dass es eine Machtdemonstration war, und es widerte ihn an.
Am Ende gab das Triefauge seinen Leuten ein Zeichen. Sie warfen den Toten auf die Bahre und schleppten ihn in den südlichen Stollen. Kurze Zeit später kehrten sie ohne ihn zurück.
» Der Schacht der Toten « , beantwortete Sed die unausgesprochene Frage.
Vil hörte seine Mutter rufen wie früher. Offenbar gab es Abendessen. Es war ein Ruf, der für ihn klang, als käme er aus einer anderen Welt.
Esrahil Gremm schwitzte, weil er sich den schwarzen Harnisch übergeworfen hatte, den man als Patrizier in der Versammlung zu tragen hatte. Er war gefüttert und für diesen schönen Frühlingstag einfach zu warm, außerdem musste er feststellen, dass sich die Gepflogenheiten in der Halle offensichtlich geändert hatten. Die meisten der Anwesenden trugen nur ein kunstreich verziertes, schwarzes Schmuckemblem aus Stahl auf dem Mantel, und er glaubte, den einen oder anderen belustigten Seitenblick aufzufangen, der seiner altmodischen Garderobe galt. Auch trug er ein paar prächtige schwarze Schuhe mit goldenen Schnallen, die er schon seit Jahren nicht mehr getragen hatte, und sie knarrten bei jedem Schritt so laut, dass er glaubte, man müsse es in der ganzen Halle hören.
Er sah sich nervös um und fühlte sich fehl am Platz. Der Archont, Vorsitzender der Versammlung, des Hohen Rates und der Kammer der Herren würde irgendwann erscheinen. Gremm hatte in schlaflosen Nächten darüber gegrübelt, ob er es wagen konnte, sich einfach mit einem Gnadengesuch direkt an diesen Mann zu wenden. Am Morgen war er beinahe fest entschlossen gewesen, doch nun bekam er allein bei dem Gedanken an eine so unerhörte Tat weiche Knie.
» Ah, hier ist noch ein Mann mit Sinn für Tradition! « , verkündete ein kräftiger Bass. » Nein, Esrahil Gremm? Seid Ihr es wirklich? Ihr wart lange nicht hier! « , rief der Sprecher.
Die Blicke, die dieser lautstarke Auftritt auf sich zog, waren Gremm unangenehm, aber er lächelte tapfer. » Ich bin erfreut, Euch zu sehen, Menher Nestur « , begrüßte er den hoch aufgeschossenen Rat, den man, wie er sich erinnerte, den Habicht nannte, vielleicht, weil sein Blick etwas Raubvogelhaftes hatte.
Wenigstens kannte er diesen Mann, was er von vielen der anderen Männer in der Säulenhalle nicht behaupten konnte. » Wie ist Euer Befinden, Menher? « , fragte er höflich.
» Hervorragend, wie immer, wenn die Versammlung der Großen zusammentritt. Doch was treibt Euch hierher? «
» Nur das Gefühl, dass ich mich wieder einmal hier sehen lassen sollte. «
» Das solltet Ihr, Gremm, wirklich, das solltet Ihr. Es muss Jahre her sein, dass ich Euch hier zuletzt sah, und das ist bedauerlich, denn Ihr erschient mir immer als Mann von Verstand, gesegnet mit der Höflichkeit, andere nicht durch lange Reden zu langweilen. In dieser Beziehung gleicht Ihr Eurem seligen Vater. «
» Ihr seid zu gütig, Menher Nestur « , erwiderte Gremm mit einer Verbeugung und fragte sich, ob der Mann ihn verspottete. Er hatte in der Versammlung doch noch nie das Wort ergriffen, auch früher nicht, als er wenigstens gelegentlich an den monatlichen Sitzungen teilgenommen hatte.
» Ah, ich weiß, was Euch hierhertreibt – es ist die Goldene Frage, nicht wahr? Was auch sonst. Sie treibt uns alle um, denn diese Sache rast doch wie ein wütender Seegeist über Meere, die auch unsere Schiffe befahren. «
» Ja, sie macht mir Sorgen « , behauptete Gremm unsicher, da er keine Ahnung hatte, was Nestur
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