Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
weiß es nicht. Jedenfalls hatte er ein Bein verloren und taugte daher nicht für die Galeere. Außerdem war er verrückt wie Kaiser Xelis. Das wurde hier unten nicht besser. Jedenfalls hat er seine Tochter – und das darfst du deiner Schwester und deiner Mutter nicht erzählen, und dem Kleinen sowieso nicht –, er hat sie in eurer Hütte erstochen, und dann sich selbst die Kehle aufgeschlitzt. «
Vil lief es kalt über den Rücken. Das war in ihrer Hütte geschehen? » Aber was hat das mit der alten Fura zu tun? «
» Eine Menge. Denn wenn hier unten einer stirbt, dann bringen sie ihn den Gang dort unten hinunter und werfen ihn einfach in den Totenschacht, so machen sie es seit den Tagen der Pest, habe ich mir sagen lassen. Der Schacht ist so tief, dass er immer noch nicht voll ist, heißt es. Ich habe ihn selbst noch nicht gesehen, und kein Dämon wird mich dazu bringen, dort hinunterzugehen. Es heißt nämlich auch, dass es doch Wege hinunter gibt, Spalten im Fels, dunkle, enge Schächte und Gänge, durch die manche, die dort hausen, an die Toten gelangen. «
» Du meinst … « Vil konnte es nicht aussprechen.
» Genau. Und deshalb hab ich dich vor der Alten gewarnt. Sie ist noch eine von den harmloseren. Da unten hausen noch andere, und es heißt, nicht alle würden warten, bis du richtig tot bist, wenn sie der Hunger packt. Das hier ist die Halde, der schlimmste Ort dieser Stadt, und du und deine Familie, ihr solltet endlich verstehen, was das bedeutet, sonst kostet die alte Fura vielleicht doch noch von eurem Fleisch. «
Erst am nächsten Morgen war das Hemd, das Tiuri mit wenig Begeisterung in einem Eimer für ihren Bruder waschen musste, so weit trocken, dass er es anziehen konnte. Ein Ärmel fehlte, aber das machte fast nichts, denn die Stimmung war so gut, dass selbst die Kronen, die Semer Geffai für den Eimer, die Seife und das verlorene Stück Holz berechnete, das Vil als Waffe gedient hatte, die Laune der Mersons nicht trüben konnten.
Am Mittag wurde Rohana Merson zur Wache gerufen. Als sie zurückkehrte, sagte sie: » Es war der Hauptmann, der uns hier herunterbringen musste, er hat uns nicht vergessen. « Dann zog sie etwas unter ihrem Mantel hervor: » Das hier hat er mir für dich mitgegeben, heimlich, nachdem ich ihm erzählt habe, was geschehen ist. Es ist sein eigenes Messer. Doch sollten wir es versteckt halten, denn wir wollen den Neid derer, die hier für immer bleiben müssen, nicht wecken. «
Vil bekam das Gefühl, dass die Dinge sich zum Besseren gewendet hatten.
Esrahil Gremm hatte die Schmieden und Gießereien hinter sich gelassen und trat nun zwischen die Fischerhütten, die sich ans Meer drängten. » Die Himmel mögen Euch segnen, wie war Euer Fang? « , rief er einem Mann zu, der auf seinem Boot saß und ein Netz flickte.
Der sah ihn kritisch an und meinte: » Der Fang war nicht so gut, wie er sein müsste, Herr, und doch muss ich mein Netz flicken, bevor ich das nächste Mal ausfahren kann. Aber wenn Ihr Fisch kaufen wollt, seid Ihr zu spät für den Nachtfang oder zu früh für das, was wir am Tage dem Meer abringen. «
» So fahren die Fischer also auch am Kaisertag aus? « , tat Gremm überrascht, obwohl er das längst wusste.
» Ganz recht, nur an den Tempeltagen lassen wir die Arbeit ruhen, Menher. «
» Ich verstehe « , erwiderte Gremm. Eigentlich hatte er geplant, an diesem Tag an der Großen Versammlung teilzunehmen, die an jedem ersten Tag des Monats, dem Kaisertag, abgehalten wurde, um dort für seine Schwester und ihre Kinder zu sprechen, doch nach langer Überlegung war er zu dem Schluss gekommen, dass es dafür zu früh war. Zwei Wochen waren erst seit der Hinrichtung seines Schwagers vergangen, und er glaubte nicht, dass die Patrizier der Stadt schon bereit waren, das Urteil in Frage zu stellen.
Dennoch wollte er etwas für seine Schwester tun. Er hatte unauffällig Erkundigungen eingezogen, wie die Dinge in der Halde gehandhabt wurden, und das hatte ihn hierhergeführt. Aber er blieb vorsichtig und sagte: » Es ist eigentlich nur der Zufall, der meine Füße hierherführte, vielleicht die Erinnerung an meine Kindheit, als es hier noch ganz anders aussah. «
» Wohl wahr, Herr. Diese großen Schmieden hat es damals noch nicht gegeben, oder? «
» Richtig, und die Neue Werft, sie war noch nicht fertig, gleichwohl wurden dort schon Schiffe auf Kiel gelegt. «
» Ja, vieles hat sich geändert, Herr. «
» Aber nicht alles, wie ich sehe. Dort, der
Weitere Kostenlose Bücher