Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
zuzusehen.
Gremm drängte sich an den unvermeidlichen fliegenden Händlern vorbei und war erleichtert, als er unter sich das Seeviertel erblickte, den Hafen und dahinter den Wald aus den Masten unzähliger Schiffe, die sich an den Molen drängten. Das war eher seine Welt als die Halle mit ihren hohen Säulen, zwischen denen er sich klein und verloren vorkam, noch kleiner und verlorener, als er sich ohnehin seit dieser unseligen Geschichte fühlte. Und dann diese Andeutungen von Nestur. Gremm hatte nicht vor, sich auch noch in eine Intrige gegen die Scholaren hineinziehen zu lassen.
Er blieb stehen. Dort unten zwischen Lagerschuppen, Handelshäusern und Tavernen befand sich auch der Rote Löwe. Es gab gute Gründe, diese Schänke nicht aufzusuchen, aber vielleicht blieb ihm gar nichts anderes mehr übrig.
Das wäre dann allerdings wieder etwas, was er vor seiner Frau verheimlichen müsste, und das war etwas, worin er sehr schlecht war. Er seufzte tief, aber dann, ganz plötzlich, stand eine andere Möglichkeit klar und deutlich vor seinem inneren Auge: Er konnte es auf sich beruhen lassen!
Vorerst nur, natürlich, bis etwas Gras über die Sache gewachsen war. Er hatte doch schon einiges für seine Schwester getan, noch mehr versucht und dabei viel gewagt. Niemand, selbst Rohana nicht, konnte mehr von ihm verlangen. Vielleicht hatte Telius Nestur ja recht, und er musste einfach nur warten, bis der Wind sich drehte.
Nach einer kurzen Hitzewelle zu Beginn des Sommers war das Wetter umgeschlagen, und dunkle Wolken ließen lang anhaltenden Regen durch die Himmelspforten fallen. Vil hockte auf seinen Fersen und beobachtete den Eimer, der sich langsam mit Wasser füllte, Wasser, das nicht so schal und sandig schmeckte wie das, was sie sonst bekamen.
Sed war bei ihm, auch die anderen Haldenbewohner hatten sich aus ihren Höhlen und Löchern gewagt und alle Behältnisse, die sie besaßen, in den Regen gestellt, immer mit dem besorgten Blick nach oben, ob die Werftarbeiter nicht gerade jetzt wieder schweres Holz oder andere Dinge herabwerfen würden. Aber es war recht still auf der Werft.
Vielleicht, so dachte Vil, war der Regen zu stark, um draußen zu arbeiten. Er hätte allerdings sonst etwas dafür gegeben, jetzt draußen durch den Sommerregen zu rennen. So konnte er es nicht einmal wagen, sich unter die Öffnung zu stellen, aus Angst, ein Kantholz könnte ihn erschlagen.
Es wäre allerdings auch wenig Platz gewesen, denn es standen zu viele Krüge, Schüsseln, Töpfe und Eimer dort. Es gab hin und wieder Streit darüber, wem welches Gefäß gehörte.
Der Eimer der Mersons stand beinahe in der Mitte, und wem er gehörte, war unstrittig. Es schien, dass die anderen darauf achteten, diesem Eimer mit ihren Gefäßen nicht zu nahe zu kommen, so wie sich auch die Haldenbewohner, bis auf Sed, von Vil fernhielten.
» Haben die eigentlich Angst vor mir? « , fragte er Sed leise.
» Weswegen? Wegen der Sache mit der alten Fura? Nein, sicher nicht, da haben sie hier schon ganz andere Kämpfe erlebt. «
» Aber irgendwie habe ich das Gefühl, dass sie mich meiden. «
» Kann schon sein « , meinte Sed, und dann starrten sie eine Weile schweigend in den Regen.
» Ich glaube, es ist, weil ihr irgendwie nicht dazugehört « , setzte Sed seinen Gedankengang irgendwann fort. » Ihr bezahlt für euren Reis, arbeitet nicht, tragt feine Kleider. «
» Ich brauch die da auch nicht « , meinte Vil geringschätzig, und er fragte sich, wie lange es wohl noch dauern würde, bis der Eimer voll war.
» Sei vorsichtig mit dem, was du laut sagst. Ich kann dir nicht immer den Rücken freihalten. «
» Aber es ist doch nicht meine Schuld, dass ich nicht arbeiten darf. Ich würde es ja tun, wenn Mutter es erlaubte. Wir sind jetzt schon fast zwei Monate hier, und ich langweile mich zu Tode. Außerdem « – er stand auf und huschte hinüber in den Regen, um den Eimer zu holen, der seiner Meinung nach voll genug war – » außerdem ist Eimerschleppen doch auch eine Arbeit. Was ist? Kommst du? «
Aber Seds verbeulter Krug war noch nicht voll. » Geh schon vor. Ich komme dann später nach. «
Die Sommertage verstrichen langsam, aber bald gab Rohana Merson Vils Mantel weg, weil ihr Kredit beim Eisenkönig aufgebraucht war. » Keine Sorge « , sagte sie, als sie den skeptischen Blick ihres Ältesten sah, » wir sind längst hier heraus, bevor es Winter wird. Wir haben immer noch Freunde da draußen. «
Aber in Vil wuchsen Zweifel. Der
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