Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Wochen bis zu seinem Geburtstag waren.
» Ah, wirklich? Du bist nicht sehr groß für dein Alter. Sei’s drum, es wird Zeit, dass du das Leben endlich als das annimmst, was es ist – ein harter Kampf, bei dem man gute Freunde braucht. Ich bin ein solcher Freund, Vil, und ich werde deiner Mutter helfen, so gut ich es eben kann. Vertrau einem Mann mit ein wenig mehr Lebenserfahrung, der dir sagt, dass es deiner Mutter schon bald viel besser gehen wird. «
Vil vertraute dem Brenner aber keineswegs. Er versuchte, so oft und lange wie möglich bei seiner Mutter zu sein, auch wenn er sie und ihre seltsamen Stimmungen kaum ertrug. Tiuri hingegen blieb ihrer neuen Unterkunft immer länger fern.
» Sie haben mir angeboten, bei ihnen zu übernachten « , sagte sie irgendwann.
» Wer? «
» Der Eisenkönig oder vielmehr die Doma, aber er hat nichts dagegen. Er will es nicht einmal zu unseren Schulden dazurechnen. «
» Aber Mutter braucht uns jetzt, Tiuri. «
» Ach, Vil, sie merkt doch kaum noch, ob ich da bin oder nicht. Gestern hat sie mich Faras genannt, als sie mich umarmte, nicht zum ersten Mal. Ich ertrage das nicht länger. «
Vil sah im Gesicht seiner kleinen Schwester, wie sehr ihr das zu schaffen machte. Sie war doch erst elf. Auch ihn hatte ihre Mutter schon mehrfach mit dem Namen seines kleinen Bruders angesprochen. » Aber wir können sie jetzt nicht im Stich lassen « , sagte er dennoch, und schließlich gelang es ihm, seine Schwester zu überzeugen, noch ein wenig länger durchzuhalten.
» Aber wenn es nicht bald besser wird … «
» Es wird besser, Tiuri, bestimmt. «
Auch am nächsten Morgen gab es keinen Fisch und auch keine Auskunft, was geschehen sei, doch es gab Streit, und ein einarmiger Mann wurde verprügelt, weil er etwas von der Strafe der Himmlischen faselte. Vil sah zu. Er konnte die Leute verstehen. Sie waren in der Halde – wie hart wollten die Himmel sie denn noch bestrafen?
Er kehrte mit leeren Händen zum Lagerstollen zurück, hungrig und getrieben von dem unbestimmten Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Schon von weitem hörte er ein leidvoll klingendes Stöhnen.
Er rannte die letzten Meter, riss das Gatter, das ihnen als Tür diente, in Panik auf und fand seine Mutter halb nackt auf dem Boden liegend. Der Brenner lag auf ihr.
» Faras, mein Sohn « , stieß Rohana Merson lallend hervor und versuchte ungeschickt, ihre Blöße zu bedecken.
Vil blieb wie vom Donner gerührt stehen.
» Hast du keinen Anstand, Kleiner? « , rief der Brenner. » Verschwinde, wenn du nicht mitmachen willst! «
Vil stürzte davon. Es war, als hätte man ihm ins Gesicht geschlagen – und er konnte nicht zurückschlagen. Er zerbrach ein paar morsche Latten, trat eine der beiden Steinpyramiden um, die das Reich des Brenners begrenzten, und fühlte sich doch völlig hilflos. Dann setzte er sich und wartete auf seine Schwester, und er wartete darauf, dass der Brenner endlich aus dem Stollen verschwände.
Doch er blieb dort drinnen.
Dann kam Tiuri. Sie hatte Reis für das Frühstück geholt. Er fing sie ab, wollte ihr erklären, was vorgefallen war, stotterte sich durch Sätze ohne Anfang und Ende, bis schließlich Sed, der aus dem Nichts erschien, sagte: » Ihr solltet nicht in den Stollen gehen. Eure Mutter und der Brenner, sie treiben es miteinander. «
» Das ist nicht wahr! « , entfuhr es Tiuri, und sie sah ihren großen Bruder hoffnungsvoll an. Der ertrug ihren Blick nicht und wandte sich ab.
In dieser Nacht übernachteten Vil und Tiuri in Seds winziger Behausung.
Am nächsten Tag war das Gatter vor dem Stollen immer noch geschlossen. Vil ging, sich seine Schale Reis zu holen, aber seine Mutter war nicht bei der Essensausgabe, und der Eisenkönig grinste so höhnisch, dass Vil am liebsten auf die Kelle voll Reis verzichtet hätte. Er kehrte zum Stollen zurück und traf den Brenner, der sich in eine Decke gehüllt hatte und einige Meter vom Lager entfernt in eine Bodenspalte pinkelte. » Ah, Kleiner « , sagte er, und seine Augen waren glasig. » Weißt du, ich stelle mir immer vor, dass da unten Leute leben, denen es noch dreckiger geht als uns. Und ich pisse auf sie. «
» Menher, Ihr habt, Ihr habt … «
» Was? Deine Mutter gefickt? Ist das ein Grund, zu stottern oder mit geballten Fäusten dazustehen und einem anderen Mann auf den Schwanz zu glotzen? Werde erwachsen, Kleiner. «
» Aber sie ist meine Mutter. «
» Die meisten Frauen sind die Mütter, Töchter oder Schwestern von
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