Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
flüsterte ein Mädchen, und ein wohliger Schauer lief ihm über den Rücken. Sie war fast noch aufreizender gekleidet als die, die ihn zu einem Bier hatte überreden wollen, und hübscher obendrein. Vil spürte plötzlich ein starkes Verlangen, aber er besaß nur noch zwei Kronen und lehnte dankend ab.
» Geizkragen « , zischte das Mädchen und sah gleich viel weniger süß und verlockend aus.
Vil machte, dass er aus der Schänke herauskam.
» Und? Habe ich zu viel versprochen? « , fragte der Ausrufer.
» Von wegen verzehnfachen – halbieren, das müsstet Ihr rufen « , fuhr ihn Vil ein.
» Dann würde aber niemand hier eintreten, oder, junger Herr? «
» Aber das ist doch Betrug! «
» Das ist das Katzenviertel! « , rief der Ausrufer lachend und machte sich daran, die nächsten Gäste anzulocken.
Verdrossen zog Vil weiter, tiefer in das Viertel hinein, vor dem ihn sein Meister so eindringlich gewarnt hatte. Mit Spielen würde er das Geld, das er brauchte, also auch nicht zusammenbekommen.
Meister Turro hatte die Wucherer erwähnt, Leute, vor denen ihn sein Vater immer gewarnt hatte. Aber jetzt war es wohl an der Zeit, den väterlichen Rat in den Wind zu schlagen. Er fragte einen Mann, ob er einen Wucherer kenne, aber der sah ihn schräg an und meinte: » Wenn Ihr Euch die Mädchen hier nicht leisten könnt, junger Freund, solltet Ihr schon gar keine Schulden deswegen aufnehmen. Sie sind es am Ende doch nicht wert. «
» Aber es geht nicht um ein Mädchen, Menher. «
» Natürlich nicht. Dennoch, wer zum Wucherer geht, muss sehr verzweifelt sein, und gewiss ist, dass er bald darauf noch viel verzweifelter sein wird. «
» Kennt Ihr nun einen oder nicht, Menher? «
» Es gibt einen, im Hahnensteig. Geht Richtung Arena, dann in die zweite Gasse rechts. Er wohnt in einem gelben Haus und hat drei Goldmünzen auf sein Schild gemalt, das Zeichen seiner Zunft für die, die nicht lesen können. «
» Ich kann lesen, Menher! «
» Besonders klug scheint Ihr dennoch nicht zu sein. «
Vil fand das bezeichnete Haus und trat in eine schmale, dunkle Kammer ein. Der strohblonde, rundliche Mann, der dort im Licht zweier Kerzen seine Bücher durchging, blickte kurz auf und meinte: » Es ist ein Tempeltag, junger Mann. Kommt morgen wieder. «
» Ihr seid ein Wucherer? «
» Geldverleiher, junger Freund. Und ich verleihe an Tempeltagen kein Geld. Doch wartet, lasst mich Euch anschauen. Ihr seid ein Handwerksgeselle, oder? «
» Ein Schmied, und erst Lehrling, Menher. «
» Doch schon recht alt für einen solchen. Besitzt Ihr ein Haus? Oder eine eigene Schmiede vielleicht? «
» Nein, Menher, warum fragt Ihr? «
» Sicherheiten, junger Freund. Ich verleihe nichts ohne Sicherheiten. Aber an welche Summe habt Ihr überhaupt gedacht? «
» Ich weiß es nicht genau. Dreihundert Kronen, vielleicht. Oder mehr. «
» Ah, ich sehe, Ihr habt genaue Vorstellungen, junger Mann. «
» Verspottet Ihr mich, Menher? «
» Nein oder vielleicht ein wenig. Ich frage auch nur, weil ich Euch einen Weg ersparen wollte. Ihr braucht nicht wiederzukommen, junger Mann, denn ich werde Euch sicher keine so große Summe leihen. «
» Habt Ihr so viel Geld nicht? «
» Ah, nun verspottet Ihr mich, wie? Vielleicht habe ich das verdient. Aber nun verschwendet nicht länger Eure und meine Zeit und seid so freundlich, die Tür hinter Euch fest zu schließen. Sie klemmt manchmal ein wenig. «
Vil schlug die Tür krachend ins Schloss. Wieder ein Fehlschlag. Er glaubte, von drinnen ein halblautes Lachen zu hören. Hatte er sich derart zum Gespött gemacht? Der Wucherer saß da drinnen offenbar auf viel mehr Geld, als Vil brauchte. Sollte er noch einmal hineingehen und sich nehmen, was er benötigte?
Seine Schwester war dem Eisenkönig hilflos ausgeliefert. War es vielleicht nicht sogar seine heilige Pflicht als Bruder, diesem reichen Mann seine Kronen abzunehmen, um Tiuri zu retten? Oder sollte er doch versuchen, seinen Weg durch das Labyrinth der Nekropole und der alten Stollen zu finden? Er hätte ihn schon vor zwei Monaten, als die Erinnerung noch frisch war, nicht gefunden, jetzt war es absolut hoffnungslos.
» Na, Geldsorgen? «
Vil drehte sich um. Im Schein einer Laterne stand der blasseste Mensch, den er je gesehen hatte, und grinste ihn schief an. Er hielt ein Mädchen im Arm, das ihn geradezu anzuhimmeln schien.
» Was geht Euch das an, Menher? «
» Vielleicht nichts « , sagte der Blasse, der nicht viel älter als Vil sein
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