Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
einen Wächter konnten sie nicht entdecken. Allerdings konnten sie auch nicht das ganze Lager einsehen, in dem sich große Kisten, Säcke und riesige Tonkrüge stapelten.
» Wo soll ich anfangen zu suchen? «
» Keine Ahnung. Suche nach Kisten, die mit zwei blauen Kreuzen gekennzeichnet sind, du wirst sie schon finden. Ich werde dir ein Brecheisen und Kerze und Feuer hinunterwerfen. Und versuch, keinen Lärm zu machen. «
Vil zwängte sich ächzend durch die schmale Luke. Er war nicht mehr so dünn, wie er es in der Halde gewesen war. Er holte sich ein paar Schrammen und blaue Flecken, aber er passte hindurch.
Vorsichtig hangelte er sich am Seil hinab. Auf halber Strecke hielt er inne. Es schien ihm unnatürlich still in diesem Lagerhaus zu sein. Er landete auf den nackten Füßen und blickte nach oben. Die Kerze und der Feuerstein waren in einen Fetzen Stoff eingewickelt. Er sah sie dennoch nicht kommen und wurde am Kopf getroffen.
» Besser, du fängst das Brecheisen nicht mit dem Kopf « , rief es leise von oben herab.
Vil entzündete notgedrungen die Kerze. Das Eisen kam herab, ebenfalls in Stoff gewickelt, und er fing es geschickt. Er löschte die Kerze wieder und schlich mit klopfendem Herzen hinüber zum Tor, um zu sehen, warum da eine Laterne brannte. Ein Wachmann! Er saß dort auf einem Stuhl in einer dunkleren Ecke, halbwegs geschützt vor dem eisigen Wind, der durch das Tor hereinzog, zwischen einigen Kisten – und schlief.
Vil machte sich auf die Suche. Im Licht seiner Kerze stieß er auf alle Arten, Größen und Formen von Kisten mit allen möglichen oder auch gar keinen Symbolen, aber fast, wie er es erwartet hatte, fanden sich die fraglichen Kisten erst nach langer Suche in einer der hintersten Ecken des Lagers.
Er zählte zwölf Kisten, die übereinandergestapelt waren. Wenn das, was er suchte, in einer der unteren Kisten war, würde er nicht herankommen, denn heben konnte er die schweren Holzkisten auf keinen Fall. Obwohl er vor Kälte zitterte, gelang es ihm, die erste beinahe lautlos aufzustemmen. Sie enthielt mit Stroh verpackte Krüge, vermutlich Öl.
Die zweite knarrte so laut, dass er fast sicher war, dass der Wachmann davon aufwachen musste. Er wartete einen Augenblick mit pochendem Herzen, aber nichts geschah. Auch diese Kiste enthielt nicht, was er suchte. Auch die nächste und übernächste waren wieder nur mit Krügen gefüllt.
Die fünfte knarrte verräterisch, aber wieder war vom Tor nichts zu hören. Und da – die Schatullen, eingewickelt in Stroh, wie die Ölkrüge. Mit zitternden Händen holte Vil die erste heraus. Er entfernte das Stroh und fand das Kästchen zu seiner Enttäuschung verschlossen und versiegelt. Und noch etwas entdeckte er: ein Symbol, eine weiße Schriftrolle, die auf den Deckel der Schatulle gemalt war. Er erkannte es gleich wieder, es war das Zeichen der Scholaren. Er runzelte die Stirn. Ob Pek wusste, dass sie gerade dabei waren, die mächtige Bruderschaft der Weißen Schriften zu bestehlen?
Er wickelte das Kästchen wieder ein und holte die nächsten zwei hervor. Dann grub er tiefer, aber zu seiner Enttäuschung gab es nicht mehr als diese drei. Er zögerte kurz, dann öffnete er die nächste Kiste. Sie enthielt nur Öl. Vil fluchte, an mehr Kisten kam er allein nicht heran. Dann waren es eben nur drei, halb so viele wie erhofft, aber sie würden ihm einen Batzen Geld einbringen, viel mehr, als er in der Schmiede verdiente.
» Es sind nur drei « , rief er leise hinauf, als er wieder unter der Luke war.
» Binde sie einzeln ans Seil, ich ziehe sie rauf « , antwortete Pek.
Vil hörte den Wachmann husten.
Er löschte die Kerze und band mit zitternden Fingern die erste Schatulle an das Seil. Es verschwand nach oben und fiel kurz darauf wieder herab.
Der Wachmann hustete wieder und gähnte ausgiebig.
Das zweite Kästchen verschwand durch die Luke.
Das Licht am Tor flackerte, nein, es bewegte sich! Der Wachmann drehte eine Runde.
Das Seil fiel herab. Vil knotete hastig die dritte Schatulle fest. Jetzt war er froh, dass es nur drei waren.
Die Schritte des Wächters schlurften durch die Gänge. Er kam näher.
Vil musste eine gefühlte Ewigkeit warten, bis das Seil wieder fiel. Er nahm die Kerze zwischen die Zähne, knotete das Brecheisen am Seil fest und kletterte hastig hinauf. Aber die Luke schien irgendwie geschrumpft zu sein – er passte nicht hindurch! Panik stieg in ihm auf.
» Leise doch « , flüsterte Pek. Offenbar hatte er gemerkt,
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