Der Prinz der Rache: Roman (German Edition)
Er hatte auf das gelauscht, was die Gesellen in den Pausen redeten, und er hatte Crum ausgefragt, was schwierig war, da er dem Lehrling die Worte einzeln aus der Nase ziehen musste, aber keiner von den vieren hatte irgendetwas über einen entflohenen Vergessenen gesagt. Hatte man sein Verschwinden vertuscht? Oder hielt man ihn für tot? Oder würde er sofort verhaftet, wenn er da draußen einer Wache in die Arme lief?
Er musste es riskieren. Da er in der Schmiede nicht weiterkommen würde, musste er sich irgendwo im Katzenviertel Hilfe suchen.
Meister Turro hatte von Wucherern gesprochen. Vielleicht könnte er dorther das nötige Geld bekommen. Doch was kostete ein Mensch? Und wie sollte er seine Schwester überhaupt befreien? Er konnte ja schlecht in die Halde hinabmarschieren und dem Triefauge die Kronen in die Hand drücken.
Er lief durch die dunklen Gassen und wälzte dunkle Gedanken.
» Eine Krone, der Herr? Für einen armen, hungernden Jungen? «
Vil blickte unwillig auf. Da stand ein Bettler in der unbelebten Gasse, hielt ihm die Hand hin und konnte sich kaum auf den Krücken halten. Vil erkannte ihn gleich wieder.
» Warum sollte ich dir was geben? « , fragte er schroff.
» Die Himmlischen werden es Euch lohnen, Herr. «
Er betrachtete den Jungen fasziniert. Ganz offensichtlich erkannte der ihn nicht wieder! Hatte er sich so verändert? Es war noch keine zwei Monate her, dass er der Halde entronnen war.
» Was ist nun, Herr? «
» Ich könnte dir die Krücken abkaufen, für, sagen wir, eine Krone. Ich weiß nämlich, dass du sie nicht brauchst. «
» Warum verspottet Ihr einen armen Krüppel, Herr? «
» Weil du nicht so arm bist, wie du tust, Kerl « , rief Vil und trat gegen eine der Krücken. Der Junge verlor das Gleichgewicht, fing sein Gewicht mit dem angeblich verkrüppelten Bein ab und fiel dann doch heulend zu Boden. Eine Bewegung im Schatten zeigte, dass jemand die Szene beobachtete. Er trat zögernd hinaus ins Licht. Es war der andere Bettler, der größere, der ihm damals die Nägel aus der Tasche gestohlen hatte. Aber er kam nicht näher, und der angebliche Krüppel blieb jammernd auf dem Boden liegen.
Jetzt, da Vil wohlgenährt und gut gekleidet war, trauten sie sich nicht an ihn heran. Er warf ihnen finstere Blicke zu, drehte sich um und ging seiner Wege.
Wenn diese beiden ihn nicht erkannten, dann traf das vielleicht auch auf andere zu. Also traute er sich tiefer in das Katzenviertel hinein, und er zuckte auch nicht mehr zusammen, wenn er eine Patrouille der Wache sah. Er bekam Angebote von jungen und weniger jungen Frauen, die in den Fenstern oder an Wänden lehnten. Er wies sie verwirrt ab und ließ sich ziellos treiben. Er brauchte Geld, viel Geld vermutlich. Doch woher nehmen und nicht stehlen?
Vor einer Schänke stand ein Mann und pries mit heiserer Stimme gutes Bier, schöne Frauen und saubere Würfel an. Vielleicht erkannte er Vils Unentschlossenheit, jedenfalls fasste er ihn am Arm und versuchte, ihn unter honigsüßen Worten in diese Taverne hineinzuziehen: » Nie wart Ihr dem Glück so nah, Menher! Es ist nur einen Würfelwurf entfernt. Es grenzt an Zauberei – Ihr setzt eine Krone ein und verwandelt sie in zehn, Ihr setzt zehn, und sie werden zu hundert. Kommt herein, versucht es nur, junger Herr, macht Euer Glück. «
Vil ließ sich locken. Was hatte er schon zu verlieren? In seiner Tasche klimperten gerade einmal vier Kronen.
» Ein Bier, der junge Herr? « , fragte eine weiche Mädchenstimme.
Er lehnte ab und errötete, weil er noch nie eine so aufreizend gekleidete Frau gesehen hatte.
» Ihr müsst entweder trinken oder spielen, Menher! « , wies ihn ein sehr großer Mann zurecht, der an einer Säule stand und den Laden überblickte. Ein schwerer Knüppel baumelte an seinem Gürtel.
Vil nickte verwirrt und fand einen Spieltisch. Offenbar ging es darum, mit zwei Würfeln die Augenzahl eines Spielers, der zur Taverne gehörte, zu übertreffen, man konnte auch darauf wetten, ob der Gast gegen den Spieler der Schänke gewinnen würde. Vil setzte eine halbe Krone, gewann, setzte wieder und gewann erneut, dann verlor er und stieg aus. Er hatte genau eine halbe Krone gewonnen.
» Wollt Ihr es nicht selbst einmal versuchen, Menher? Eine Viertelkrone Einsatz « , rief der Würfler.
Vil wollte. Er würfelte hohe Augen, aber nach fünf Runden hatte er dennoch zwei seiner vier Kronen eingebüßt.
» Gib mir eine halbe Krone – ich bringe dir bestimmt Glück « ,
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