Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
Bann sitzt tief im Boden, spürst du das nicht? Diese Bündel, die Zeichen und Symbole, das ist nur die Oberfläche. Es ist so, als würde der Alte Lenn eine Mauer von Zeit zu Zeit neu streichen, um sie vor dem Verfall zu bewahren. Würde er es lassen, würde irgendwann, vielleicht in Jahrzehnten, der Bann so schwach werden, dass die Unglücklichen ihn brechen könnten. Aber so lange können wir natürlich nicht warten.«
»W oher weißt du das? Von… früher?«
Bislang hatten sie das Thema vermieden, aber Sahif war klar, wie sehr das Ela beschäftigen musste. Er verspürte jedoch wenig Lust, diese alten Erinnerungen zu wecken, und fand, dass sie darüber auch später noch sprechen konnten. Daher sagte er nur: »I ch sehe, fühle und höre Dinge, die ich zuvor nicht sehen konnte. Vielleicht, weil ich schon auf der Schwelle des Todes war und zurückgekehrt bin. Jedenfalls kann ich spüren, dass dieser Bann, diese magische Mauer, die die Insel umschließt, tief in den Felsen sitzt.«
»U nd was willst du nun tun?«
»V ielleicht weiß der Alte mehr, aber ich weiß nicht, wie ich diesen Verrückten überzeugen soll, mir zu helfen.«
»W ie ist Lenn eigentlich auf diese Insel gekommen?«
»E r war schon hier, bevor die Schatten kamen, jedenfalls hat mir das einer der Meister einmal erzählt. Ich denke, dass er vielleicht einer alten magischen Bruderschaft angehörte, die hier früher mit den Soldaten über die Insel wachte. Aber lass uns weitergehen, vielleicht wissen ja auch die Scholaren etwas über diesen Bann. Hoffen wir, dass sie noch nicht besiegt sind.«
»U nd diese unsichtbaren Wächter, denen wir in der Ebene begegnet sind?«, fragte Ela, die ihn wieder stützte.
»A uch die Massarti waren schon vor den Schatten hier, und selbst die Oberen meiner Bruderschaft wissen nicht, welche Art Magie hinter ihnen steckt. Mir schienen sie wie lebende Wesen zu sein, die über diese Ebene wandern und wahllos alles töten, was dort noch lebt. Wir jüngeren Schatten stritten früher immer darüber, ob sie nun ein Werk der Nekromanten oder ein Werk der Belagerer waren.« Sahif seufzte. »I ch kann nicht behaupten, dass ich die Antwort weiß, aber mir scheint es, als seien sie geschaffen worden, um Du’umu zu bewachen, niemanden hinein- und vor allem niemanden hinauszulassen. Ich habe jedenfalls nie gehört, dass der Marghul je außerhalb der Stadtmauern gesehen wurde, und sie greifen doch jene an, die die Ebene betreten, versuchen nicht etwa, den Bann zu durchbrechen, der ja auch den Marghul gefangen hält. Aber die Geister, die wollen hinaus.«
»D as ist unheimlich.«
Sahif lachte leise. »D as kannst du laut sagen, Ela Grams. Doch dort ist die Treppe zur Stadt. Wir haben es bald geschafft. Wenn die Scholaren angegriffen werden, dann brauchen sie vielleicht Hilfe, und wenn es so ist, dann sind sie vielleicht bereit, mir ebenfalls zu helfen. Sie müssten wissen, wo wir Lenn finden.«
»U nd sie haben vielleicht die Kräuter, die du brauchst.«
»J a, vielleicht.«
Ela verstand nicht, warum Sahif nicht glauben wollte, dass die Scholaren ihm helfen konnten. Ghula Mischitu war bei weitem nicht so furchterregend, wie ihr Name es andeutete. Eigentlich hatte sie sogar etwas Mütterliches an sich, auf eine allerdings sehr respektgebietende Art. Ela war zuversichtlich, dass sie ihnen helfen würde. Es ging schließlich nicht nur um Sahif, es ging um viel mehr. Das Schicksal der Welt konnte von ihren Taten abhängen, auf jeden Fall aber das Schicksal von Atgath. Bei dem Gedanken an die Stadt wurde Ela schwermütig. So was, dachte sie , jetzt stolpere ich mit einem Schatten über die Insel der Toten, hinter uns ein Heer von Geistern, vor uns ein Krieg um ein paar Ruinen, und ich habe nichts Besseres zu tun, als plötzlich Heimweh nach Atgath zu kriegen.
»D u! Du!«, schrie plötzlich eine schrille Stimme. Eine Gestalt tauchte aus der Dunkelheit auf und sprang wie wild auf Ela und Sahif los. Sahif stieß Ela zur Seite und zog seinen Dolch. Die Gestalt blieb jedoch stehen. »D u siehst sie, oder? Du siehst sie– und sie, sie folgen dir!«
»L enn?«
»J a, sie folgen dir, doch wohin? Hier ist das Ende, hier geht es nicht weiter, kann es nicht, darf es nicht weitergehen.«
»D u hast mich zu Tode erschreckt, Lenn!«, rief Ela Grams.
Sahif fühlte ihre Hand auf seinem Arm. Er hatte immer noch seine Waffe in der Hand, doch jetzt steckte er sie beinahe verlegen weg. »W enn du sie sehen kannst, Lenn, dann weißt du auch,
Weitere Kostenlose Bücher