Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
Eben war er noch schwach gewesen, auf ihre Hilfe angewiesen, beinahe wie damals, als sie sich in der kleinen Köhlerhütte bei Atgath das erste Mal begegnet waren. Und nun, kaum vom Gift genesen, war er selbstsicher und abweisend. Sie war sich nicht sicher, ob ihr dieser Sahif immer noch so gut gefiel wie der andere. Aber sie würde tun, was er verlangte, sie würde ihm helfen, wie sie ihm schon die ganze Zeit geholfen hatte, und vielleicht würde er irgendwann ja erkennen, dass sie mehr war als eine bloße Begleiterin. Als sie aufblickte, war Sahif schon verschwunden.
»I hr wart wohl tief in Gedanken, Jungfer Ela. Habt Ihr denn nicht gehört, dass er sich verabschiedet hat?«, fragte Elwid.
Ela schüttelte den Kopf. Sie hätte ihm gute Wünsche mitgeben müssen. Es brachte Unglück, wenn man ohne solche Wünsche voneinander schied, wusste er das nicht?
***
Jamade wartete, bis Prinz Askon in der Dunkelheit verschwunden war, dann verbarg sie sich in den Schatten und schlich hinüber zu den Lagerfeuern, die ihr Askon gezeigt hatte. Hier schien die Stimmung besonders schlecht zu sein. Die jungen Krieger stierten in die Flammen und waren äußerst einsilbig, aber nur einige wenige hatten sich bereits zum Schlafen hingelegt. Askons Steuermann war leicht an der tiefen Narbe zu erkennen, aber er saß mitten unter seinen Kameraden. Das stellte sie vor ein Problem: Sie konnte nicht einfach mitten unter ihnen aus den Schatten auftauchen, sie konnte aber auch nicht in anderer Gestalt erscheinen, wenn sie nicht enthüllen wollte, dass sie eine Gestaltwandlerin war, und diese Trumpfkarte wollte sie noch nicht ausspielen. Warten konnte sie allerdings auch nicht. Es war schwierig, es an dem dunkelroten Nachthimmel abzulesen, aber Jamade schätzte, dass es schon weit nach Mitternacht war, und irgendwann würde jemand merken, dass der Wächter tot war.
Sie blieb in ihren Schatten verborgen, als sie sich an den Steuermann heranschlich. Sie zog ihr Messer und brachte ihren Mund nah an sein Ohr. »N icht bewegen, Turgal«, flüsterte sie und setzte ihm gleichzeitig die Klinge zwischen die Schulterblätter. Turgal zuckte zusammen, aber dann rührte er sich nicht mehr. »S ehr gut. Ich bringe Grüße von Prinz Askon. Blut in der Dämmerung, diese Worte soll ich Euch ausrichten. Habt Ihr das verstanden?«
Der Steuermann nickte kaum merklich.
»G ut. Ich bin der Schatten, der von nun an über Askon wacht. Er erwartet Euch mit so vielen Getreuen wie möglich am Hafen. Das letzte Haus vor dem langen Kai. Ihr werdet die Insel heute Nacht verlassen. Habt Ihr auch das verstanden?«
Wieder nickte Turgal.
»G ut, beeilt Euch, aber versucht, Euch möglichst unauffällig aus dem Lager zu entfernen. Je später die anderen etwas merken, desto besser.«
Sie ließ das Messer wieder verschwinden und zog sich einen halben Schritt zurück. Turgal fuhr herum. Sein Auge suchte die Dunkelheit ab. Aber Jamade war gut in den Schatten versteckt.
»W as hast du? Hat dich was gestochen?«, fragte sein Nebenmann müde.
»D as kann man sagen. Weck die anderen. Wir ziehen los.«
»L osziehen? Wohin denn?«
»D as erfahrt ihr noch früh genug. Aber es muss leise geschehen. Wir verschwinden dort drüben, hinter dem Lagerschuppen, wo die Mauer flach ist. Geht in kleinen Gruppen. Wir treffen uns jenseits der Mauer.«
Jamade sah zu, während die Nachricht flüsternd weitergetragen wurde. Ihr gefiel, was sie sah. Turgal blieb am Feuer sitzen, und auf sein Zeichen verschwanden die jungen Krieger in Dreier- und Vierergruppen. Bald waren ihre Feuer verwaist. Turgal erhob sich als Letzter, streckte sich, gähnte und ging ganz gemütlich zu dem bezeichneten Lagerhaus. Bis jetzt hatte noch niemand etwas bemerkt. Das ging besser, als sie gedacht hatte, aber sicher würde sie sich erst fühlen, wenn sie auf dem Meer war. Sie hielt inne. Es lag etwas in der Luft, ein Geruch, der ihr vertraut erschien. Nein, kein Geruch, eher ein Geschmack oder ein Gefühl. Magie! Eine ganz bestimmte, vertraute Art. Meister Iwar? Nein, der verstand es, sich anzuschleichen, ohne dass ihn jemand bemerkte. Es musste ein anderer Schatten sein. Und damit kam eigentlich nur einer in Frage.
***
Sahif hatte sich von Ghula Mischitu auf einer Karte die Schwachstellen des befestigten Lagers der Westgarther zeigen lassen, war durch die Stadt geeilt und hatte die Mauer nahe eines Lagerhauses überquert. Dort war er zu seiner Überraschung auf eine Anzahl Westgarther getroffen, jüngere Männer,
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