Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
hölzerne Schindel und blieb dort federnd stecken. Ein anderer schoss mit seiner Armbrust auf etwas, was allein er gesehen und gehört hatte. Hastig lud er seine Waffe nach. Jamade kauerte auf der Mauer, unfähig zu verschwinden. Sie war mehr als gespannt, ob Sahif sein Ziel erreichen würde. Oder würden ihr die Westgarther vielleicht sogar den Gefallen tun, Sahif zu erledigen? Sie wagte kaum, darauf zu hoffen. Wenn Sahif so gut war, wie Meister Iwar behauptete, dann stand eigentlich nicht infrage, wie das hier ausgehen würde. Aber sie blieb. Sie wollte sehen, wie gut er war– und vielleicht konnte sie den Westgarthern sogar ein wenig helfen. »D ie Feuer! So schürt doch die Feuer!«, ließ sie den Mann rufen, dessen Gestalt sie gewählt hatte.
Sahif hatte den ersten Pfeil meilenweit entfernt ins Holz schlagen sehen, aber der Bolzen war besser gezielt. Vielleicht hatte er auf seinem Weg nach unten irgendeine Bewegung auf den groben Schindeln ausgelöst, und der Schütze hatte das wahrgenommen. Der Mann musste bemerkenswert gute Augen haben. Und jetzt rief diese Stimme aus der Dunkelheit, dass man die Feuer schüren solle, ein Rat, der von zwei Männern sofort befolgt wurde. Sahif wich auf dem Dach zurück und schlich zur Seite, dahin, wo die Feuer kein Licht mehr gaben, denn wenn er hinuntersprang, würde er nicht verhindern können, dass seine Füße Staub aufwirbelten. Die Halle unter ihm brodelte vor atemloser Spannung. Die Männer riefen sich leise Warnungen zu und warteten.
Sahif fand eine dunkle Stelle und ließ sich lautlos zu Boden fallen. Dann umging er die fünf Schützen, die sich inzwischen aufgefächert hatten, gelegentlich irgendwohin zielten, aber dann doch nicht schossen. Der nächste von ihnen war, wohl ohne es zu bemerken, halb in den Schatten der Halle geraten, er spähte angestrengt zum Dach, die Armbrust gehoben. Sahif gelangte in seinen Rücken. Er konnte nicht angreifen, solange er den magischen Schutz der Schatten genoss, also ließ er sie fallen und tötete den Mann mit einem einzigen, schnellen Stich seines Messers ins Herz. Er hielt die Armbrust schon in den Händen, als der Mann noch zu Boden sank.
»D a!«, schrie eine Stimme.
Sahif rief die Schatten und rollte sich zur Seite ab.
Pfeile und Bolzen zischten ihm um die Ohren. Er kam auf die Füße, zog sich weiter in die Dunkelheit zurück und kehrte zurück zum Dach.
Jamade sah den Mann fallen und dann noch für einen kurzen Augenblick die dunkle Gestalt Sahifs. Die Westgarther waren zu langsam, und verhängnisvoller noch– sie hatten Sahif eine tödliche Waffe in die Hand gegeben. Sie wartete.
»D as Dach, behaltet das Dach im Auge!«, schrie einer der Schützen, der zu seinem toten Kameraden gelaufen war. »E r hat eine Armbrust!«
Jamade wartete angespannt. Sahif hatte nur einen Schuss, denn den Köcher des Toten hatte er nicht mitgenommen. War er wirklich so gut? Da! Für eine Sekunde wurde Sahif auf dem Dach sichtbar. Er schoss, dann verschwand er wieder in den Schatten. Ein vielfacher Aufschrei verriet Jamade, dass er getroffen hatte. Sie fluchte, dann schwang sie sich von der Mauer und machte sich endlich auf den Weg zum Hafen.
Nach dem Schuss ließ Sahif die Armbrust einfach in die Halle fallen, rief die Schatten und rutschte das Dach hinab. Pfeile und Bolzen kamen geflogen und verfehlten ihn denkbar knapp. Die Schreie in der Halle bestätigten ihm, was er gesehen hatte. Er hatte sein Ziel getroffen. Hakor war von Schildträgern geschützt worden, hatte selbst aber getan, als ginge ihn die Sache nichts an. Er hatte sogar auf einem Stuhl Platz genommen, unter einem Dach aus Schilden, in einer Haltung, die eines Königs würdig war– ein erstaunlicher Unterschied zu dem Säufer, den Sahif bei seinem letzten Besuch in der Halle angetroffen hatte. Er hatte gewartet, bis einer der Schildträger nur einen Augenblick lang den Arm senkte, um das Gewicht zu verlagern. Der Armbrustbolzen war über den Schildrand geflogen, knapp über dem Schlüsselbein tief in den ungeschützten Leib des Königs eingedrungen, und es gab keine Zweifel, dass Hakor das nicht überleben würde.
»D er König ist getroffen!«, rief es von drinnen.
»D er König! Der König!«
»D er Schatten! Er ist auf dem Dach!«
»T ötet den Schatten!«
»D er Heiler! Wo ist der Heiler?«
»J agt den Schatten, ihr Krieger!«
»D er König– er stirbt!«
Sahif sprang zu Boden und rannte. Er hatte getan, was man von ihm verlangt hatte, mit kühlem Kopf
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