Der Prinz der Skorpione: Roman - Der Schattenprinz 3 (German Edition)
wabern allerlei Gerüchte durch die Stadt, Hoheit. So heißt es, Ihr hättet vor, diese Stadt an Oramar zu übergeben.«
»L ächerlich«, schnaubte Shahila.
»G ewiss, aber schwer zu entkräften. Und da ist noch etwas, Hoheit. Ihr erinnert Euch vielleicht, dass der Feind gestern einige Langbogenschützen vorgeschickt hat, die Pfeile mit Nachrichten über die Mauern schossen.«
»I ch hörte davon, aber ich hörte auch, dass niemand in der Stadt je eine solche Nachricht zu Gesicht bekommen habe.«
»D as liegt daran, Hoheit, dass ich den Damatern Befehl gegeben habe, sie umgehend einzusammeln und zu verbrennen. Natürlich erst, nachdem ich sie gelesen habe. Auf diesen Zetteln wird verkündet, dass Prinz Gajan noch lebt und dass er bereits in Felisan und auf dem Weg nach Atgath ist.«
Shahila rieb sich müde die Schläfen. Sie hatte nicht viel geschlafen. »W arum erfahre ich das erst jetzt?«
»I ch dachte, ich hätte diese Nachricht unterdrücken können, und wollte Euch nicht beunruhigen, aber wie es scheint, macht wenigstens einer dieser Zettel die Runde in der Stadt. Und auch darüber reden die Meister der Zünfte.«
»G ajan ist also in Felisan?«
»V ielleicht, Hoheit. Es mag auch eine Lüge sein, die sich dieser Fuchs Gidus ausgedacht hat, um die Atgather gegen uns aufzuwiegeln.«
»E s ist sehr schade, dass deine Schattenschwester ihn hat entkommen lassen. Und es ist ebenso bedauerlich, dass wir nichts von ihr hören.«
»D as ist wahr, Hoheit.«
Eine Erschütterung lief durch die Mauern. Wieder hatte eine Kugel aus dem großen Geschütz der Belagerer die Burg getroffen. Shahila wartete, bis auch der Donner zu hören war, dann noch ein wenig länger, bis auch die kleineren Bombarden gefeuert hatten. Sie schüttelte den Kopf. Jetzt verhielt sie sich schon wie die Bürger dieser Stadt, die auch immer ängstlich auf den nächsten Schuss warteten. Dann sagte sie: »O b Gajan auf dem Weg ist oder nicht, spielt keine Rolle, Almisan, wenn die Atgather dieser Nachricht Glauben schenken. Und bei den Meistern fängt es an. Dagegen sollten wir etwas unternehmen.«
»I ch könnte Meister Dorn einen Besuch abstatten, doch das würde Fragen aufwerfen, Hoheit.«
»N ein, mit dem Messer kommen wir hier nicht weiter, Almisan, aber vielleicht mit Gold.«
»I hr wollt ihn bestechen?«
»U m ihn endgültig ins Lager unserer Feinde zu treiben? Ich bin ihm nicht oft begegnet, aber er scheint zur seltenen Gattung der grundehrlichen Männer zu gehören. Daher dachte ich an den Zunftmeister. Ich glaube, Meister Haaf steht zu Recht in dem Ruf, stets sehr auf seinen Vorteil bedacht zu sein.«
»I hr denkt an Hamochs Mondgold?«
»E s ist zwar falsch, doch wird Haaf das erst merken, wenn diese Belagerung lange vorüber ist. Geh und frag unsern Zauberer, ob er genug davon hat oder machen kann. Die Dinge spitzen sich zu, Almisan, und ich denke, wir brauchen mit unseren Mitteln nicht länger hauszuhalten, sonst können wir sie vielleicht gar nicht mehr einsetzen.«
***
Am Morgen hatte sich Faran Ured einen Platz ein gutes Stück abseits des Belagerungsringes gesucht. Es gab dort einen kleinen Bach, der nicht durch den Unrat verschmutzt war, den so ein Heerlager nun einmal absonderte. Er hielt den Blechteller hinein und beschwor die Magie, ihm endlich zu zeigen, was er so verzweifelt suchte. Erst geschah nichts, aber dann, endlich, kräuselte sich das Wasser im Teller. Ah, die Magie erhörte ihn wieder! Er fühlte sich, als sei er von Blindheit geheilt. Vier Tage lang hatte er nicht mehr über die Welt gewusst als jeder andere Mann im Lager, doch jetzt flog sein Blick pfeilschnell den Bach hinunter zur Küste.
Er fragte sich, ob der Magier, den er angegriffen hatte, noch in Felisan war. Aber was war das? Da stand Rauch über der Stadt. Der Bach verschwand unter der Erde. Er trat im Meer wieder aus, und obwohl Faran Ured unbedingt nach seiner Frau und seinen Töchtern suchen wollte, zwang er sich dazu, den Blick erst in den Hafen zu lenken: ein Trümmerfeld, gesunkene Schiffe, am Kai brennende Häuser und betrunkene Krieger, und dort, ein Schiff aus Oramar. Es war leicht an den großen dreieckigen Segeln zu erkennen. Aber vor allem die prächtige Fahne zog Ureds Blick an: schwarzer Skorpion auf rotem Grund, darunter ein Turm. Es war nicht das Banner des Padischahs, aber einer seiner Söhne war in Felisan. Es war jedoch das einzige oramarische Schiff im Hafen, dafür wimmelte es von Langbooten. Also war dieser Prinz nicht
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