Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
ausgeblendet hatte – dabei war es so offensichtlich, dass ihre Mutter Ben diese Aufgabe aufgedrängt hatte. Ich sollte Ben mal danach fragen, dachte sie. Wenn er sich denn daran noch erinnern kann.
Komm schon, komm schon, dachte sie und überflog endlose Berichte über das Herumgezicke im Klassenzimmer auf der Suche nach pikanteren Beobachtungen über Ed Pryce. War es nicht einmal zu einer einzigen Knutscherei zwischen ihnen gekommen? Als sie dann aber die Seiten aufschlug, die sie in der dreizehnten Stufe geschrieben hatte, kamen ihr die Worte auf einmal vertrauter vor. Sie las langsamer und verspürte plötzlich, wie sich ihr Magen vor Angst verkrampfte, als sie das Frühjahrssemester erreichte.
15. März
Will Taylor veranstaltet nach den Klausuren eine Party, deswegen müssen wir den Termin in unsere Kalender eintragen und vor der Klausurzeit so viel Alkohol besorgen wie möglich. Die Party findet entweder am Strand statt oder im Haus seines Dads, wenn wir denn Danno überreden können, uns am Wochenende Ausgang zu gewähren. Ich habe Ed gefragt, ob er hingeht, und er sagte, dass …
Michelle klappte das Notizbuch mit einem Knall zusammen. Ihr Gesicht fühlte sich mit einem Mal ganz heiß an, und sie bekam das seltsame Gefühl, ein Déjà-vu zu erleben; als befände sie sich oben auf einer Achterbahn und würde schon den Sturz in die Tiefe spüren, obwohl die Fahrt noch gar nicht losgegangen war. Sie fühlte sich wie gefangen zwischen der Notwendigkeit weiterzulesen und dem Drang, das Buch so weit wie möglich fortzuwerfen, um nie wieder einen Blick hineinwerfen zu müssen.
Einen Augenblick lang hielt sie das Tagebuch in der Hand und steckte es dann, ohne weiter darüber nachzudenken, zwischen die Matratze und den Rahmen ihres Gästebetts, und räumte danach die restlichen Bücher wieder in den Karton zurück.
Es dauerte eine Weile, bis sich die Wellen, die Chloes Klausurdesaster auslösten, im Hause McQueen wieder gelegt hatten. Chloe war völlig aufgelöst, dabei aber auch sehr trotzig, und beharrte darauf, dass sie »genauso gut« auch die Schule verlassen könne, um ein international gefeierter Popstar zu werden. Phil seinerseits war stinksauer auf die Lehrer, das Prüfungskomitee, auf Sarah, auf sich selbst – im Grunde also auf alle außer Chloe und Anna. Er traute sich nicht, auf Anna wütend zu sein, da sie nur dafür sorgte, dass nicht alles auseinanderbrach und hauptsächlich mit Pongo zu ausgedehnten Spaziergängen aufbrach, um währenddessen ihren Hörbüchern zu lauschen. Superwoman war auf der Strecke geblieben; Anna hatte schon seit Mai keinen gründlichen Hausputz mehr gehalten, und es war ihr auch egal. Wenn es Phil störte, so hatte er Schiss, es ihr vorzuhalten. Chloe war stinksauer und verschonte niemanden mit ihren divenhaften Attacken, und hin und wieder gab sie auch haarsträubende Gemeinheiten von sich, die Anna stark an Evelyn erinnerten. Im Hinblick auf Chloes Noten zeigte sich die Schule allerdings längst nicht so verständnisvoll wie erhofft, obwohl Anna und Phil verzweifelte Gespräche mit dem Lehrerkollegium geführt hatten. Aber selbst nachdem sie die Schule dazu überredet hatten, Chloe in die Oberstufe zu versetzen, beschuldigte Chloe sie anschließend, die Lehrer dazu gebracht zu haben, »sie wie einen freakigen Sonderling« zu behandeln.
Da half es auch nichts, dass Becca die juristischen Fachbücher, die sie vor Studienbeginn zu lesen hatte, nicht einmal ausgepackt hatte. Der Karton stand immer noch auf der Treppe und wartete darauf, geöffnet zu werden. Becca selbst verhielt sich sehr zurückhaltend, was das Thema Cambridge anging, als wolle sie ihren Erfolg ihrer Schwester nicht unter die Nase reiben. Doch Lily provozierte arglos mindestens einmal am Tag einen Streit, indem sie immer wieder bettelte, Beccas Zimmer zu bekommen, »wenn sie zur Uni geht«.
Phils Reaktion auf diese aufgewühlte, angespannte Atmosphäre in der Familie bestand darin, sich das Gartenhäuschen zu bestellen, von dem er schon so lange geträumt hatte. Es wurde just an dem Tag geliefert, als Chloe von Tyras Mutter nach Hause gebracht wurde – hysterisch kichernd und betrunken, weil sie zu viel Cidre getrunken hatte. Anna musste all ihre Selbstbeherrschung aufbringen, um sich nicht selbst in dem neuen Gartenhaus einzuschließen.
Evelyns Geburtstag Ende August stellte wie in jedem Jahr eine harte Herausforderung und Geduldsprobe für die ganze Familie dar. Insbesondere für Anna, die nicht
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