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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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Bricassart – aber mehr noch in die Vorstellung, eines Tages jemanden kennenzulernen, bei dessen Anblick dann die Zeit stillstehen würde.«
    Anna McQueen
    M ichelles Tagebucheinträge setzten mit dem Beginn ihrer Schulzeit in der Black Monk School in der 12. Klasse ein und beschrieben zunächst ziemlich detailliert ihre Tagesabläufe, wie oft sie ihre Eltern anrufen konnte, Owens Heimweh an der privaten Grundschule, die ihrem Gymnasium angegliedert war, wie sich Owen durch das Schuljahr kämpfte und so weiter.
    Bis kurz davor war sie in Kingston auf eine ganz normale Schule gegangen, doch das Autogeschäft ihres Vaters lief gut, und ihre Mutter wollte mehr Zeit für sich haben – und so kam es, dass Michelle und Owen in den Genuss einer Privatschule kamen. Owen, der schon immer eine Kämpfernatur war, hatte sich recht schnell eingelebt. Michelle dagegen war dies schwerer gefallen, da die Schule Mädchen nur für die Oberstufe aufnahm. Ihre Mitschülerinnen waren deutlich erfahrener als sie und besaßen mehr Geschick darin, die andauernden Avancen der Jungs gegeneinander auszuspielen.
    Romanzen und Affären rückten daher schon früh in Michelles Blickfeld. Ihre Schwärmerei für Ed Pryce begann gleich am ersten Tag, an dem sie mit ihm zusammen zum ersten Mal mittags die Essensausgabe beaufsichtigen musste. Fast ehrfürchtig hatte ihre krakelige Handschrift jedes noch so kleine Detail ihrer Unterhaltung penibel festgehalten, sodass nun die Erinnerung daran mit einem Schlag erwachte. Der Pommes-Geruch des Speisesaals, der muffige Geruch der zweihundert Schuljungs, die draußen Schlange standen. Ed hatte zwei jüngere Schüler nachsitzen lassen, weil sich diese ihr gegenüber dreist und vorlaut verhalten hatten. Und damit war es endgültig um Michelle geschehen gewesen.
    Ich kann mich gar nicht daran erinnern, je so rührselig und sentimental gewesen zu sein, dachte Michelle, als ihr Blick über die liebeskranken Seiten huschte, auf denen haarklein sein »gedankenvoller Gesichtsausdruck« bei der Übersetzung französischer Texte und seine »hübschen langen Wimpern« beschrieben wurden. Wirklich gut konnte sie sich an Eds Gesicht gar nicht mehr erinnern, hauptsächlich eigentlich nur noch an das Gefühl, wenn sie ihn heimlich von der Seite angehimmelt hatte. Doch die Wucht der Sehnsucht war deutlich zu spüren, die von den Eintragungen ausging, die Nachmittage, die sie damit verbracht hatte, auf Bleistiften herumzukauen und gedankenvoll aus dem Fenster zu schauen in der Hoffnung, über der Hecke einen blonden Schopf zu entdecken – was bedeutet hätte, dass er jemanden in ihrem Wohnheim besuchen kam.
    Selbst in Michelles ausführlich notierter Liste, wie ihr Traummann »theoretisch« aussehen sollte, beschrieb sie ganz eindeutig Ed. (Sie hatte die Liste deshalb angefertigt, weil Katherine in einer Zeitschrift gelesen hatte, dass der Traummann vor einem auftauchen würde, wenn man sich nur ein Bild von ihm machte.)
    »Mein Traummann ist groß«, schrieb sie, »ist vielleicht ein Rugby- oder Cricketspieler, hat blondes Haar und grüne Augen und besitzt ein eigenes Auto (keinen Vauxhall!).«
    Michelle ließ sich auf ihre Fersen sinken, als sich die zwölfte Stufe mit einem Mal vor ihrem geistigen Auge auftat – die Klausuren und kleinlichen Streitereien mit den anderen Mädchen, ihr Gewicht, unter dem sie gelitten hatte, die Triumphe und Niederlagen des Rugbyteams, in dem Ed eine zentrale Rolle spielte. Das alles noch einmal zu durchleben war nicht ganz so traumatisch, wie sie es beim Anblick des Notizbuchs erwartet hatte. Tatsächlich musste sie sogar über ein paar der gehässigeren Bemerkungen über die anderen Mädchen schmunzeln.
    Ich war so dumm, dachte Michelle und amüsierte sich über die Art, wie sie tagtäglich den Umfang ihrer Oberschenkel gemessen hatte, um zu überprüfen, ob die magische Kohlsuppe irgendeine Wirkung zeigte. Und eine Zicke war ich obendrein.
    Allerdings machte ein Eintrag gegen Ende des ersten Schuljahres sie stutzig. »Mum ist wieder bis zum Ende des Schuljahres unterwegs, deswegen werden Owen und ich bei Ben in London bleiben. Ich weiß nicht, ob Dad sie begleitet. Als ich angerufen habe, hatte er keine Ahnung, wovon ich sprach.«
    Michelle erinnerte sich sehr wohl an die Besuche bei Ben und wie sie die Zeit mit Owen im Planetarium totgeschlagen hatte. Doch nicht daran, dass dies geschehen war, weil ihre Mutter keine Zeit für sie gehabt hatte. Schon komisch, wie sie diesen Teil

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