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Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Der Prinz in meinem Maerchen - Roman

Titel: Der Prinz in meinem Maerchen - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lucy Dillon
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Liebenswürdigkeit hatte nicht zu diesen Eigenschaften gehört. Denn schon sehr bald hatte Michelle entdeckt, dass Harvey alles andere als liebenswert war. Nie tat er etwas, was nicht zu seinem direkten eigenen Nutzen war – ganz gleich, wie klein und unbedeutend die Angelegenheit auch sein mochte.
    Michelle merkte, wie ihr Handy in der Gesäßtasche zu brummen begann, als sie gerade eine Kundin dazu überredete, ein Set Espressotassen mit Mistelzweig-Aufdruck zu kaufen. Als sie sah, wer der Anrufer war, verzog sie das Gesicht.
    Mum.
    Es handelte sich wahrscheinlich um die sehr direkte Frage, wann sie am Neujahrstag zum Essen kommen würde.
    »Möchten Sie vielleicht rangehen?«, fragte die Kundin höflich, doch Michelle schüttelte schnell den Kopf.
    »Nein, nein. Haben Sie eigentlich die dazu passenden Kuchenteller gesehen? Auch diese sind im Preis heruntergesetzt.«
    Ein paar Minuten später tauchte Kelsey mit dem schnurlosen Telefon vor ihr auf und sah sie entschuldigend an. »Deine Mum.« Sie wedelte mit dem Telefon, als sei es glühend heiß. Offensichtlich hatte sie sich schon einiges von Michelles Mum anhören müssen.
    »Ich bin beschäftigt«, entgegnete Michelle.
    »Sie sagte schon, dass du das sagen würdest. Sie will unbedingt mit dir sprechen. Es sei sehr dringend.«
    Michelle wollte gerade schon Kelsey fragen, ob sie im Hintergrund etwa Sirenen gehört habe oder ob das Haus ihrer Mutter gerade in Flammen stünde, doch dafür reichte ihre Energie nicht mehr. Stattdessen streckte sie die Hand aus, nahm das Telefon entgegen und wollte die Taste drücken, die ein Mithören des Anrufers wieder erlaubte. Doch Kelsey hatte sich nicht die Mühe gemacht, diese Funktion zu nutzen.
    Na prima.
    »Hallo Mum.«
    »Endlich«, entgegnete Carole. »Ich dachte schon, ich müsste erst in den Laden kommen, um mit meiner Tochter sprechen zu können.«
    Michelle räusperte sich und zwang sich zu einem Lächeln, um freundlicher zu klingen. »Na ja, ich habe gerade viel zu tun. Geht es dir gut? Kelsey sagte, es sei dringend.«
    »Es ist dringend. Ich muss wissen, ob du morgen zum Mittagessen zu uns kommst. Die Jungs erwarten dich. Wir alle. Bislang hast du nicht einmal deinen neuen Neffen zu Gesicht bekommen. Gibt es irgendein Problem, Michelle? Ist das der Grund?«
    Michelle sah sich um. Sechs Kundinnen befanden sich im Geschäft, von denen zwei mit dem auf die Hälfte heruntergesetzten Geschenkpapier beschäftigt waren, eine eindeutig zu viele zerbrechliche Glaskugeln in einer Hand balancierte und drei Kundinnen sich in der Nähe der Schmucktheke herumtrieben. Ungeduldig forderte sie Kelsey mit bösen Blicken dazu auf, der Kundin mit den Glaskugeln mit einem Einkaufskorb zur Hand zu gehen, und nickte dann Gillian zu, die Schmucktheke aufzuschließen.
    »Können wir später weiterreden? Die Sache ist die, Mum: Der Zeitpunkt ist gerade ziemlich ungünstig, der Laden platzt vor Kunden beinahe aus den Nähten.«
    »Manche Dinge sind aber wichtiger als die Arbeit, Michelle. Wie zum Beispiel die Familie. Wenn du über Weihnachten wenigstens hier gewesen wärst …«
    »Mum. Ich habe dir die Sache mit Weihnachten doch erklärt. Jetzt habe ich auch noch den Laden nebenan übernommen und muss …«
    »Wann?« Am anderen Ende der Leitung wurde scharf die Luft angehalten. »Das hast du weder deinem Vater noch mir gegenüber erwähnt. Ist das denn bei der wirtschaftlichen Lage, die derzeit herrscht, überhaupt eine kluge Idee?«
    »Ich denke schon«, erwiderte Michelle. »Die Miete war günstig, ich habe Pläne, langfristige Pläne für …« Sie gab auf und verschwand hinten im Büro, um nicht von dem Drang, Kunden zu bedienen, abgelenkt zu werden.
    Carole fuhr ungehindert fort. »Ich finde wirklich, du hättest unseren Rat erfragen sollen, Michelle. Du neigst dazu, dich Hals über Kopf in Dinge zu stürzen, ohne dir vorher Gedanken darüber zu machen. Warum hast du nicht zuerst deinen Vater nach seiner Meinung befragt? Oder Harvey?«
    Und Anna wundert sich, warum ich nicht nach Hause fahren möchte!
    »Weil ich eine erfahrene Geschäftsfrau bin«, entgegnete sie, »die ausgezeichnet in der Lage ist, allein ein Darlehen aufzunehmen und einem Vorhaben zu einem durchschlagenden Erfolg zu verhelfen. Mum, ich mache dies nun schon eine ganze Weile und muss mir nichts mehr von Dad absegnen lassen.«
    Bewusst ging sie nicht auf Harvey ein. Wenn überhaupt, so wäre wahrscheinlich er derjenige, der Carole Zweifel an Michelles Fähigkeiten

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