Der Prinz in meinem Maerchen - Roman
Michelle, und ihre Stimme zitterte vor Mühe, nicht unverzüglich aufzulegen. »Ich werde nicht zu Harvey zurückkehren. Nie im Leben. Und da er offenbar nun regelmäßig bei euch zu Gast ist, richtet ihm doch bitte aus, dass er mir keine Blumen mehr schicken soll. Sie geben mir das Gefühl, verfolgt zu werden.«
»Blumen? Du beschwerst dich ernsthaft darüber, dass dir jemand Blumen schickt?« Ihre Mutter schaffte es, erstaunt zu klingen, gemischt mit einem unüberhörbar missbilligenden Unterton. »Michelle, ich wünschte, ich hätte deine Probleme – wirklich!«
Da haben wir’s, dachte Michelle. Genau das will Harvey bezwecken. Jeder soll glauben, wie unvernünftig ich bin. Aufgabe perfekt erledigt. Und meine eigene Mutter glaubt nun, dass ich zu dämlich bin, um zu erkennen, wenn mir jemand etwas Gutes tun will. Schönen Dank auch .
Die Beklemmung in ihrer Brust wurde immer schlimmer, bis sie das Gefühl hatte, keine Luft mehr zu bekommen.
»Ich habe wirklich viel zu tun«, zwang sie sich zu sagen. »Tut mir leid. Ich werde es morgen nicht schaffen, hier wegzukommen.« Sie wusste, dass sie es besser dabei belassen hätte, doch die pflichtbewusste Tochter in ihr konnte sich nicht zurückhalten. »Je schneller ich den Laden eröffnen kann, desto eher kann ich Geld verdienen. Vielleicht schaffe ich es ja, irgendwann Ende Januar vorbeizuschauen, wenn der Schlussverkauf zu Ende ist …«
Noch während sie dies sagte, wusste Michelle, dass sie es nicht ernst meinte. Und ihre Mutter wusste das genauso gut.
»Und überhaupt: Ich habe Owen hier bei mir aufgenommen, weil alle anderen von ihm offenbar die Nase voll hatten«, sprudelte es aus ihr hervor. »Behaupte also bloß nicht, ich würde nie etwas für die Familie tun.«
Carole verharrte schweigend, als Michelles Stimme verhallte. Die Stille strotzte nur so vor Verachtung. Schließlich seufzte sie. »Wie großzügig von dir, Michelle. Vielleicht bringt er dich zur Abwechslung ja mal dazu, an andere zu denken und nicht immer nur an dich selbst.«
»Wie bitte? Owen? Owen ist ja wohl der egoistischste Mensch, den ich …«, fing Michelle aufbrausend an, doch da hatte Carole bereits aufgelegt.
Jede Wette, dass sie dieses Gespräch seit Tagen einstudiert hat, vermutete Michelle und bemühte sich, den Streit herunterzuspielen. Doch innerlich fühlte sie sich wie verbrüht von einer alten Scham, die niemals fortgehen würde. Ganz gleich, was Michelle in ihrem Leben als Erwachsene erreichte – seien es die Verkaufsprämien, sei es die Ehe mit dem Liebling ihres Vaters oder gar der Erfolg ihres eigenen Unternehmens –, dies würde niemals das Bild ausradieren, das ihre Mutter von ihr in ihrer mentalen Galerie pflegte: Das Bild einer Michelle im Teenageralter, die auf der Rückbank des Jaguars ihres Vaters nach Hause geholt wird, bevor das Schuljahr zu Ende ist, mit ungnädigem Schweigen gestraft, die Miene ihres Vaters vor Bestürzung versteinert.
Das ist mir egal, ermahnte sich Michelle und ballte die Fäuste. Ich bin die Person, die ich jetzt bin.
Dennoch fühlte sie sich immer noch klein. Klein und einsam, als stünde sie plötzlich am falschen Ende eines Teleskops.
Es klopfte an der Bürotür. Michelle riss sich so schnell wie möglich zusammen und blinzelte einige Male, um sich wieder ihre freudige, selbstsichere Verkäufermiene aufs Gesicht zu zaubern.
Kelsey steckte den Kopf zur Tür herein. »Hi.«
»Ja, ich komme schon«, erwiderte Michelle. »Herrscht ein großer Kundenansturm?«
»Was? Wo? Oh, ähm, ja, es herrscht reger Andrang. Die hier sind für dich abgegeben worden.« Sie schob ihre Hand durch den Türspalt, und zum Vorschein kam ein weiterer riesengroßer, handgebundener Blumenstrauß, der aus bunten Rosen bestand. Kelsey riss in einem schweigenden »Ta-ta-ta-taaa!«-Tusch die Augen weit auf.
»Ta-ta-ta-taaa«, fügte sie hinzu, falls Michelle es noch nicht begriffen haben sollte. »Von wem sind die?«
Michelle kam der Frühstückskaffee wieder hoch, und sie musste schwer schlucken, um nicht zu würgen.
Es sind nur Blumen. Nur Blumen.
»Danke.« Sie nahm den Strauß entgegen, hielt dann aber inne. »Könntest du den Strauß in einzelne Farben auseinanderpflücken und die Blumen dann in Milchglasflaschen hinten auf die Regale stellen und …«
Wieder hielt sie inne. Sie wollte Harveys Blumen nicht im Laden haben. Jedes Mal, wenn ihr Blick auf die Blumen fallen würde, hätte sie das Gefühl, dass er sich schrittweise immer weiter in ihr
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