Der Prinz mit den sanften Haenden
Blind griff sie nach ihrem Bademantel, bedeckte damit ihre Brüste und versteckte sich vor Jalal
„Was ist passiert?" verlangte er leise, aber nachdrücklich zu wissen. „An was hast du dich erinnert?"
Behutsam machte er einen Schritt auf Clio zu, überzeugt, dass die beste Lösung eine Umarmung wäre.
„Sag es mir."
„Ich verfluche euch Männer!" Sie wies mit dem Finger auf ihn, als würde sie ihn persönlich hassen, aber er spürte, dass es nicht so war. „Verschwinde!"
„Clio", sagte er eindringlich, als könnte er sie mit diesem einen Wort zur Besinnung bringen.
Sie wandte sich um, drehte den Schlüssel und riss wütend die Tür auf. „Verschwinde!" wiederholte sie.
„Ich werde nicht eher gehen, bis du mir sagst, was dich so auf gewühlt hat", erklärte er und bewegte sich nicht vom Fleck.
Doch Clio war so in ihrem Schmerz, in Zorn und Selbsthass gefangen, dass sie herumwirbelte und aus dem Raum stürzte, ehe Jalal, Meister des blitzschnellen Angriffs, auch nur einen Fuß vor den anderen setzen konnte.
Clio zog Shorts und T-Shirt aus. Darunter trug sie einen zweiteiligen Badeanzug. Sie stopfte die Sachen samt ihren Sandaletten in eine wasserdichte Badetasche, in der sie ihren CD-Rekorder, einen Roman, ein Handtuch und Sonnenschutzcreme hatte. Frisches Obst und eine Flasche Wasser hatte sie ebenfalls mitgenommen.
Sämtliche Mitglieder des Haushaltes, ob sie nun vorübergehend da waren oder für länger, mussten entsprechend ihrem Alter mit anfassen. Das war nicht die einzige unumstößliche Regel. Jeder von ihnen hatte grundsätzlich einen freien Tag in der Woche. Heute hatte Clio frei, und solange nichts Außergewöhnliches vorlag, wollte sie auch etwas davon haben.
Nachdem sie sich ausgeschlafen und das Familienfrühstück übergangen hatte, damit sie Jalal nicht begegnen musste, hatte sie am schwarzen Brett in der Küche eine Notiz hinterlassen: Bin unten in der Bucht, Clio.
Sie steckte ihr Haar auf und glitt in das erfrischend kühle Wasser. Mit einer Hand hielt sie ihre wasserdichte Tasche fest und ruderte mit der anderen zu ihrem Lieblingsfelsen.
In dieser kleinen, etwas abseits gelegenen Bucht, nur zwanzig Minuten vom Haus entfernt, gab es keinen Strand, nur ein paar gefährliche Felsvorsprünge. Gleich am Ufer ging es tief ins Wasser. Am Eingang zur Bucht schreckten Schilf und ein paar kleine re Felsen Motorboote und Wasserskiläufer ab.
Das bedeutete, dass Clio sicher sein konnte, hier nicht gestört zu werden. Abgesehen davon, dass sie mit einem der Boote hin und wieder an abgelegenere Orte fuhr, war dies ihr Lieblings platz, um sich zu entspannen. Und um nachzudenken.
Heute hatte sie viel, worüber sie nachdenken wollte. Als sie den flachen Felsvorsprung mitten in der Bucht erreichte, legte sie ihre Sachen ab und ließ sich wieder ins Wasser sinken.
Was bin ich dumm, dachte sie und tauchte tief unter. Nur wenig Sonnenlicht drang durch das Wasser, und aufgescheucht flüchtete ein Fisch.
Irgendetwas stimmte nicht mit ihr. Zwei Mal in ihrem Leben hatte sie sich wie verrückt zu einem Mann hingezogen gefühlt, der seine Augen auf ihre Schwester geworfen hatte. War das nur ein unglücklicher Zufall?
Unwahrscheinlic h.
Welche geistige Verirrung war daran schuld, dass sie sich derart selbst bestrafte? War ihre große Schwester ein so fantastisches Vorbild für sie, dass sie nur einen Mann begehren konnte, der eigentlich Zara haben wollte?
Gestern Abend hatte sie ihr Leben seit jenem verletzenden Erlebnis mit Peter an sich vorbeiziehen lassen. Dabei hatte sie erkannt, dass jener Tag zu vielen falschen Schlussfolgerungen geführt hatte. Sie war offenbar nicht mit mangelndem sexuellem Interesse ausgestattet, sondern hatte nach dem damaligen Erlebnis ihre Gefühle nur verdrängt.
„Verdammt!" zischte sie. Kleine Luftbläschen stiegen im Wasser auf ", als hätte sie gelacht. Ihr war jedoch nicht danach zu Mute. Denn noch immer verspürte sie ein Verlangen, wie sie es nie zuvor gekannt hatte und wie sie es ganz offensichtlich nie zugelassen hatte seit jenem Abend.
Sie tauchte auf, schnappte nach Luft und ließ sich eine Weile auf dem Rücken treiben.
Lieber Himmel, sie war nahe daran, verrückt zu werden. Wie sollte sie Jalal jetzt noch gegenübertreten, nachdem das, was sie für ihn empfand, so offen zu Tage getreten war?
Wie konnte sie jedoch andererseits ihren Empfindungen nachgeben, wenn sie damit erneut das Risiko einging, so gekränkt zu werden wie damals?
Das könnte sie kein
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