Der Prinz und das Maedchen von nebenan
Philippe sonst zum Essen ausführte, wählten automatisch das kalorienärmste Gerichte und pickten nur darin herum. Caro dagegen genoss jeden einzelnen Bissen und kommentierte ihn, bis auch er von ihrer Begeisterung angesteckt wurde und sich seiner Mahlzeit mit wesentlich mehr Freude widmete als gewöhnlich. Sie schloss die Augen und erfreute sich an jedem neuen Aroma, jeder außergewöhnlichen Komposition. Schließlich fütterte sie ihn sogar mit Kostproben ihrer Gerichte und angelte über den Tisch hinweg mit der Gabel nach Häppchen von seinem Teller, bis er ihr im Spaß vorschlug, zu tauschen.
Erfreut akzeptierte sie sein Angebot. „George hielt es für peinlich, in aller Öffentlichkeit die Teller zu tauschen.“
„Und dieser Kerl hat dich als langweilig bezeichnet?“
„Wahrscheinlich lässt er heute Melanie von seinen Speisen kosten.“
„Hättest du dich über den Tisch gebeugt und ihm Einblick in dein Dekolleté gewährt, hätte er alles für dich getan!“
„Glaubst du?“ Sie warf George einen sehnsüchtigen Blick zu, und Philippe durchzuckte ein Anfall von heftiger Eifersucht. Die, wie Caro richtig vermutete, schönen Frauen, mit denen er ausging, konzentrierten sich ganz auf ihn, flirteten mit ihm, lachten über seine Witze und reservierten ihren ganze Charme für ihn. Dass sie sich wesentlich mehr für ihren Exverlobten interessierte als für ihn, war eine heilsame Erfahrung.
Sie schenkt sogar dem Essen mehr Aufmerksamkeit als mir, dachte er gekränkt. Es erschien ihm als Ironie des Schicksals, dass er, der für seinen Charme, Witz und seine sexuelle Leistungsfähigkeit berühmt war, sich um das Interesse einer mäßig attraktiven Frau bemühen musste, die es noch nicht einmal für nötig hielt, ihn zu unterhalten. Nicht, dass er aus diesem Grund mit ihr ausgegangen wäre, aber dennoch …
Auch, wie sein Körper auf die Berührung ihres Fußes reagierte, missfiel ihm, oder dass sein Blick immer wieder zu ihren vollen Lippen oder ihrem verführerischen Dekolleté wanderte. Vermutlich war sie sich ihrer starken Wirkung noch nicht einmal bewusst.
Glücklicherweise war sie nach eigenem Bekunden nicht an ihm interessiert.
Zum ersten Mal in ihrem Leben musste Caro ein Dessert ablehnen. Ausgerechnet beim Dinner im Star und Garter ließ ihr üblicher guter Appetit sie im Stich. Das Leben war wirklich ungerecht!
„Bist du fertig? Dann lass uns einen großen Abgang hinlegen“, schlug Philippe vor. Sie erhoben sich, und als sie an Georges Tisch vorübergingen, legte er ihr wie beiläufig eine Hand in den Nacken, in einer intimen, besitzergreifenden Geste. Sofort lief ihr ein heißer Schauer über den Rücken.
„Ich habe den Eindruck, sie brechen ebenfalls auf“, raunte Philippe ihr zu, als er ihr die Tür nach draußen aufhielt. „Möchtest du mich küssen?“
„Wie bitte?“ Verdutzt hielt sie inne. „Natürlich nicht!“
„Damit könnten wir George endgültig überzeugen, dass wir eine leidenschaftliche Affäre haben. Das Händchenhalten bei Tisch war vergleichsweise harmlos. Wenn er uns jedoch bei einem feurigen Kuss ertappt, erkennt er endlich, was für eine heißblütige, aufregende Frau du bist, und dass es dir ohne ihn viel besser geht.“
Sie zögerte. Zugegeben, es reizte sie schon, George zu täuschen. Zu lange war sie sich neben der quirligen Melanie fade und verklemmt vorgekommen, und sie hatte es gehasst, Zielscheibe ihrer mitleidigen Blicke zu sein.
Konnte sie es tatsächlich wagen, einen leibhaftigen Prinzen zu küssen? Allerdings hatten sie beschlossen, nur Freunde zu sein. „Macht es dir nichts aus?“, fragte sie zweifelnd.
„Wozu sind Freunde da? Außerdem ist es ein gutes Training. In Montluce werden wir uns gelegentlich küssen müssen, da können wir uns gleich daran gewöhnen.“
Wie wahr! Entschlossen schöpfte Caro Atem. „Ja, dann …“
„Komm mit.“ Er nahm sie bei der Hand und führte sie zu der Limousine, die im Schein einer Laterne gegenüber der Eingangstür zum Star and Garter wartete. „George soll uns gut sehen können.“ Den Rücken an das Auto gelehnt, breitete er die Arme aus. „Los geht’s!“
„Wo ist Jan?“
„Mach dir um ihn keine Gedanken. Er ist daran gewöhnt wegzusehen.“
Die Nacht war klar und mild, am tiefblauen Himmel funkelten unzählige Sterne, eine leichte Brise jagte Caro Schauer über den Rücken – oder war es die Aufregung? Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zunge, dann trat sie zögernd einen Schritt auf
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