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Der Prinz und der Soeldner

Der Prinz und der Soeldner

Titel: Der Prinz und der Soeldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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nahm seinen Umschlag entgegen, und Miles den seinen, und sie schlossen sich ihren beiden Kameraden an.
    Ivan zog seinen Umschlag auf. »Ha. Ich komme ins Kaiserliche Hauptquartier nach Vorbarr Sultana. Hört mal, ich bin vorgesehen als Adjutant von Kommodore Jollif im Planungszentrum.« Er beugte sich vor und drehte die Folie um. »Es geht wirklich schon morgen los.«
    »Oh«, sagte der Fähnrich, der Schiffsdienst gezogen hatte und noch leicht wippte, »Ivan wird Sekretär. Pass nur auf, wenn General Lamitz dich bittet, auf seinem Schoß Platz zu nehmen. Ich habe gehört, er …«
    Ivan machte ihm eine freundschaftliche, derbe Geste. »Neid, schierer Neid. Ich werde leben wie ein Zivilist. Arbeit von sieben bis fünf, meine eigene Wohnung in der Stadt – auf eurem Schiff dort oben wird es keine Mädchen geben, wenn ich darauf hinweisen darf.« Ivans Stimme klang ruhig und munter, nur seinen Augen gelang es nicht, seine Enttäuschung ganz zu verbergen. Auch Ivan hatte sich Schiffsdienst gewünscht. Alle hatten sich Schiffsdienst gewünscht.
    Auch Miles. Schiffsdienst. Am Ende ein Kommando, wie mein Vater, und sein Vater, und seiner, und seiner … Ein Wunsch, ein Gebet, ein Traum … Er zögerte aus Selbstdisziplin, aus Furcht, einem letzten übriggebliebenen Augenblick hoher Hoffnungen zuliebe. Dann drückte er den Daumen auf die Verschlussfläche und zog den Umschlag mit bedachtsamer Präzision auf. Eine einzige Plastikfolie, eine Handvoll von Reiseausweisen … Seine Bedachtsamkeit dauerte nur den kurzen Moment, den er brauchte, um den kurzen Absatz vor seinen Augen aufzunehmen. Er stand ungläubig erstarrt da und begann noch einmal von vorn zu lesen.
    »Na, was gibt’s, Cousin?« Ivan blickte Miles über die Schulter.
    »Ivan«, sagte Miles mit halb erstickter Stimme, »habe ich jetzt einen Anfall von Gedächtnisstörung oder hatten wir in unserem naturwissenschaftlichen Unterricht tatsächlich nie einen Kurs über Meteorologie?«
    »Mathematik fünfdimensionaler Räume, ja. Xenobotanik, ja.« Ivan kratzte sich geistesabwesend. »Geologie und Geländebestimmung, ja. Nun, da gab es den Kurs über Flugwetter, damals in unserem ersten Jahr.«
    »Ja, aber …«
    »Na, was haben sie dir diesmal angetan?«, fragte Plause deutlich bereit, Glückwünsche oder Mitgefühl auszusprechen, je nachdem, was angebracht schien.
    »Ich bin als Chefoffizier für Meteorologie der Basis Lazkowski zugeteilt. Wo, zum Teufel, ist die Basis Lazkowski? Ich habe überhaupt noch nie davon gehört.«
    Der Sergeant am Schreibtisch blickte mit einem plötzlichen boshaften Grinsen auf. »Ich habe davon gehört, Sir«, meldete er sich. »Sie liegt auf einer Insel namens Kyril, droben nahe dem Polarkreis. Eine Basis zum Wintertraining für die Infanterie. Die armen Schweine nennen sie Camp Permafrost.«
    »Infanterie?«, sagte Miles.
    Ivan hob die Augenbrauen und schaute mit gerunzelter Stirn auf Miles herab. »Infanterie? Du? Da scheint etwas nicht zu stimmen.«
    »Nein, scheint es nicht«, sagte Miles schwach. Eiskalt überkam ihn das Bewusstsein seiner körperlichen Behinderungen.
    Nach Jahren geheimnisvoller medizinischer Torturen war es fast gelungen, die schweren Missbildungen zu korrigieren, an denen er bei seiner Geburt beinahe gestorben wäre. Fast gelungen. War er in seiner Kindheit zusammengekrümmt gewesen wie ein Frosch, so stand er jetzt fast gerade. Die Knochen, einstmals Kalkstecken, brüchig wie Talkum, waren jetzt fast stark. Einst verschrumpelt wie ein kindlicher Homunkulus, war er jetzt fast 1,45m groß. Zuletzt war es ein Kompromiss gewesen zwischen der Länge seiner Knochen und ihrer Stärke, und sein Doktor meinte immer noch, die letzten fünfzehn Zentimeter seien ein Fehler gewesen. Miles hatte sich letztlich die Beine oft genug gebrochen, um dem Arzt zuzustimmen, aber da war es schon zu spät. Aber er war kein Mutant, kein … – es spielte fast keine Rolle mehr. Wenn sie ihn nur seine Kräfte in den Dienst des Kaisers stellen ließen, dann würde er sie seine Schwächen vergessen machen. Dieser Handel galt als abgemacht.
    Es musste tausend Aufgaben in den Streitkräften geben, wo sein seltsames Aussehen und seine verborgene Zerbrechlichkeit kein bisschen Unterschied machen würden. Wie Adjutant, oder Übersetzer beim Nachrichtendienst. Oder sogar als Waffenoffizier eines Schiffes, der seine Computer überwacht. Es galt als abgemacht, sicherlich galt es als abgemacht. Aber Infanterie? – Irgend jemand trieb da ein

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