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Der Prinz und der Soeldner

Der Prinz und der Soeldner

Titel: Der Prinz und der Soeldner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lois McMaster Bujold
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von bloßem Anschein gehabt, von ›Wir üben ja nur‹, jetzt befand er sich endlich der Wirklichkeit gegenüber, seinem ersten echten kommandierenden Offizier. Erste Eindrücke konnten von vitaler Bedeutung sein, besonders in seinem Fall.
    Er holte Atem und klopfte. Eine raue, gedämpfte Stimme klang durch die Tür, die Worte waren nicht zu verstehen. Eine Einladung? Miles öffnete und trat ein. Er hatte einen flüchtigen Eindruck von Computerterminals und Vid-Displays, die an einer Wand leuchteten und glühten. Die Hitze, die sein Gesicht traf, ließ ihn fast zurücktaumeln. Die Luft in dem Büro hatte Körpertemperatur. Abgesehen von den Vid-Displays war der Raum im Halbdunkel.
    Auf eine Bewegung zu seiner Linken hin wandte Miles sich um und salutierte. »Fähnrich Miles Vorkosigan meldet sich zum Dienst wie befohlen, Sir«, sprudelte er hervor, blickte auf und sah niemanden.
    Die Bewegung war von weiter unten gekommen. Ein unrasierter Mann von etwa vierzig Jahren, nur in Unterwäsche gekleidet, saß auf dem Boden, mit dem Rücken gegen das Pult der Kommunikationskonsole gelehnt. Er lächelte zu Miles empor, hob eine Flasche mit einer bernsteingelben Flüssigkeit, murmelte: »Salü, mein Junge, höchst erfreut!« und kippte langsam um.
    Miles blickte einen langen, langen nachdenklichen Moment auf ihn hinab.
    Der Mann begann zu schnarchen.
    Nachdem er die Hitze etwas heruntergeschaltet, seine Jacke ausgezogen und eine Decke über Leutnant Ahn geworfen hatte (denn um den handelte es sich), gönnte sich Miles eine beschauliche halbe Stunde und untersuchte seine neue Domäne gründlich.
    Es gab keinen Zweifel, er würde Instruktionen bezüglich des Betriebs dieses Büros brauchen. Außer den Echtzeitbildern von den Satelliten schienen automatisch erhobene Daten von einem Dutzend Anlagen einzulaufen, die zur Erfassung des Mikroklimas über die Insel verteilt waren. Falls es je Betriebshandbücher gegeben hatte, so waren sie jetzt nicht vorhanden, nicht einmal auf den Computern. Zunächst zögerte Miles und betrachtete nachdenklich die schnarchende, zuckende Gestalt auf dem Boden, doch dann überwand er seine Hemmungen und nutzte die Gelegenheit, Ahns Schreibtisch und die Dateien der Komkonsole zu durchsuchen.
    Die Entdeckung einiger relevanter Fakten half ihm, die Szene, deren Zeuge er geworden war, besser zu verstehen. Leutnant Ahn war allem Anschein nach ein Mann mit zwanzigjähriger Dienstzeit, der wenige Wochen vor seinem Ausscheiden stand. Seine letzte Beförderung lag schon sehr lange zurück. Noch weiter zurück lag seine letzte Versetzung: in den letzten fünfzehn Jahren war er der einzige Wetteroffizier auf Kyril gewesen.
    Dieser arme Hund hockt auf diesem Eisberg, seit ich sechs Jahre alt war, rechnete Miles nach und schauderte innerlich. Zu diesem späten Zeitpunkt war es schwer zu sagen, ob Ahns Alkoholproblem Ursache oder Wirkung war. Nun ja, wenn er wieder ausreichend nüchtern sein sollte, um Miles zu zeigen, worin seine Aufgaben bestanden, dann war es schön und gut. Wenn nicht, dann konnte Miles sich ein halbes Dutzend Methoden vorstellen (darunter auch grausame und ungewöhnliche), um ihn wieder auf die Beine zu bringen, ob er zu Bewusstsein kommen wollte oder nicht.
    Wenn Ahn wenigstens dazu gebracht werden konnte, eine fachliche Einführung von sich zu geben, dann durfte er, soweit es Miles betraf, ruhig wieder in sein Koma fallen, bis man kam, um ihn zum Abtransport zu karren.
    Nachdem Ahns Schicksal entschieden war, zog Miles seine Uniformjacke wieder an, verstaute seine Sachen hinter dem Schreibtisch und ging auf Entdeckungsreise. Irgendwo in der Befehlskette musste es ein bei Bewusstsein befindliches, nüchternes und geistig gesundes menschliches Wesen geben, das tatsächlich seine Arbeit machte, sonst könnte dieser Laden nicht einmal auf diesem Niveau funktionieren. Oder wurde er vielleicht von kundigen Korporalen geleitet? In diesem Fall, so vermutete Miles, bestand seine nächste Aufgabe darin, den effektivsten verfügbaren Korporal ausfindig zu machen und seiner Kontrolle zu unterstellen.
    In der Vorhalle im Erdgeschoß näherte sich Miles eine menschliche Gestalt, zunächst als Silhouette vor dem Licht, das durch die Eingangstüren fiel. Die Gestalt joggte präzis im Rhythmus des Schnellschritts und verwandelte sich in einen großen, kräftig gebauten Mann in Trainingshosen, T-Shirt und Sportschuhen. Er war offensichtlich gerade von einem konditionsfördernden Fünfkilometerlauf

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