Der Prinz von Astrilandis
werden sollten. Ohne Krotos ein Wort zu sagen, ließ Laonira ein neues Siegel für den künftigen Herrscher entwerfen. Sie entschied sich für eine Darstellung mit verschlungenen Seeschlangen, die sich um ein Schwert winden und von hohen Wellen eingerahmt wurden. Ein einzigartiges Schwert, das sie in ihrem persönlichen Schatz aufbewahrte und das der Plünderung durch Karikootos entgangen war, ließ sie für Krotos neu aufpolieren und schleifen.
Laonira hatte seit ihrer Trennung von Pantheer sehr zurückgezogen gelebt und war nur von ihren Ältesten täglich besucht worden, um mit ihnen die Regierungsgeschäfte zu besprechen. In ihren Gemächern ließ sie von ihren Zofen die kostbarsten Gewänder ans Tageslicht holen, doch nichts war ihr gut genug. Sie beauftragte alle Schneiderinnen der Insel, um für sich und Krotos neue Kleidung anfertigen zu lassen.
Fürs Erste trug sie ein Gewand in den Farben des Himmels und ihre Haare ließ sie mit großen goldfarbenen Perlen neu flechten, so dass sie fast so schön war wie Myadne, die die Veränderung ihrer Mutter staunend und mit einigem Argwohn beobachtete. Sie hatte ihren Tagesablauf so verändert, dass Myadne nicht mehr wusste, wann sie ihre Mutter in ihren Gemächern antreffen konnte. Sie irrte dann durch den Palast und fragte überall nach ihr, doch sie erntete nur mitleidige Blicke. Alle wussten, dass Laonira ihre Zeit nun mit dem fremden Astrilandier verbrachte und nicht einmal mehr Zeit für ihre Tochter hatte.
Auch die gemeinsamen Abendmahlzeiten wurden immer seltener. Myadne sagte deshalb zu ihrer Mutter: „Ich möchte gerne mit Dir wieder auf unserer kleinen Plattform speisen und die Abendsonne beobachten, wie sie ins Meer taucht.“ Doch Laonira antwortete ihr mit spöttischem Lächeln: „Meine liebe Tochter, ich weiß es zu schätzen, dass Du die alten Gewohnheiten wieder aufnehmen möchtest, aber wir leben in einer Zeit die Veränderungen mit sich bringt. Bald schon wirst Du einen neuen Vater haben und Miatris einen neuen Herrscher. Und damit werden wir auch neue Sitten und Gebräuche einführen. Ich habe beschlossen, dass wir künftig nur in der Mittagsstunde am Fuße des Kraters im Schatten der Pinien eine kleine Mahlzeit gemeinsam einnehmen. Den Abend werde ich mit meinem künftigen Gemahl in meinen oder seinen Gemächern verbringen. Was Dich betrifft, so wirst Du Dich mit Deinen Zofen oder Freunden begnügen müssen.“ Laonira hatte bei diesen Worten Myadne fest in die Augen gesehen. Sie bemerkte, dass ihre Tochter ihrem Blick nicht standhalten konnte und immer wieder in die Weite schweifen ließ. Sie ahnte, dass Myadne mit dieser neuen Situation sehr schlecht zurechtkam, deshalb fügte sie hinzu: „Selbstverständlich werde ich immer für Dich Zeit haben, wenn Du mich brauchst, aber versuche zu verstehen, dass ich zu Beginn von Krotos Herrschaft ihm als Beraterin zur Seite stehen muss.“ Myadne wagte nicht zu widersprechen, sie nickte ergeben, aber in ihrem Herzen fühlte sie einen stechenden Schmerz. Sie hielt ihre Augen gesenkt, um Laonira nicht zu verraten, wie sehr sie diese Entscheidungen trafen. Sie konnte und wollte nicht verstehen, dass ausgerechnet Krotos der neue Herrscher von Miatris werden sollte. Hatte Laonira nicht immer ihr den Thron versprochen und gab es nicht noch Hero, ihren Sohn, der viel eher Anspruch auf diesen Thron erheben konnte? Was brachte denn Krotos mit in diese Ehe? Dieser Mann entstammte keinem Herrschergeschlecht und seine Manieren waren nicht die eines Königs. Er war sehr geschäftig, Laonira den Hof zu machen und ihr jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Doch Myadne fühlte sich verraten und war entsetzt über die Blindheit ihrer Mutter, die nur noch Augen für den Astrilandier hatte. Er umgab sie bei Tag und bei Nacht. Er trug weiche Gewänder, die lange in den Truhen auf einen neuen Besitzer gewartet hatten. Myadne schluckte ihre Tränen und ihren Zorn hinunter, denn ihre Mutter war blind vor Liebe, sie befürchtete in Ungnade zu fallen, wenn sie etwas gegen Krotos sagen würde.
Krotos hatte ihren Platz eingenommen. Er besprach mit ihr, was sich auf Miatris ändern sollte. Laonira hatte alle ihren Gewohnheiten ihm zu liebe aufgegeben. Sie besuchte nicht einmal mehr den Tempel der Göttin Sanivala, um für ihren Sohn zu beten. Ihr neues Leben nahm sie zu sehr in Anspruch. Myadne hoffte, dass ihre Mutter bald erkennen würde, dass Krotos nur ein gewöhnlicher Mann war, und kein Herrscher so wie ihr Vater. Doch im
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