Der Prinz von Astrilandis
Krotos war Laonira blind für Gefahren oder Warnungen. Sie fühlte sich gesund und frei, so dass ihr die Prophezeiung von Krankheit und Trauer unwahrscheinlich vorkam. Die Heirat mit Krotos würde sie zur glücklichsten Frau von Miatris machen. Eine schwere Regierungszeit hatte sie bereits hinter sich, mit einem Herrscher an ihrer Seite würde vieles einfacher werden. Einzig der Ältestenrat bereitete ihr Sorgen. Wenn diese alten Männer Krotos nicht als ihren König anerkennen würden, dann stünde ihr wirklich eine schwere Zeit bevor.
Laonira ließ Myadne zu sich rufen. Sie wollte mit ihrer Tochter das Sanivalafest besprechen. Es gab einiges an Vorbereitungen zu treffen. Die beiden legten immer die Reihenfolge der Prozession und die Farben der Kleidung fest, die während des Fests getragen werden durften. Außerdem sollte Myadne zum ersten Mal bestimmen, welche der jungen Männer aus Subsidonos ihren Thron tragen durften. Myadne hatte sich schon lange entschieden, dass es die Söhne des Schatzmeisters und die des obersten Priesters sein sollten. Laonira kannte diese jungen Männer kaum, aber sie stimmte Myadne zu. Die Palastwache, die aus 200 jungen kräftigen Männern bestand, würde links und rechts neben der Herrscherin und Laonira hergehen. Krotos wollten sie in ihre Mitte nehmen, um dem Volke zu zeigen, dass er Mitglied der Königsfamilie war. Die Hochzeit und gleichzeitige Krönung von Krotos sollte auf der Treppe des Tempels zu Timesis stattfinden. Dort würde die Prozession am späten Nachmittag sein und die Sonne danach im Meer versinken. Bei diesem Tempel endete das Fest und die Herrscher konnten im Allerheiligsten auf vorbereiteten Lagern feiern und die Nacht verbringen. Laonira hoffte, dass recht viele der jungen Männer aus Miatris bleiben und mit ihnen zusammen feiern würden. Laonira schickte Botschaften an alle Priester, die entlang der Küste an den Altären die Opfergaben vorbereiteten, um ihnen mitzuteilen, dass sie sich in Timesis einfinden sollten, um die Krönung vorzunehmen und Krotos zu segnen.
Krotos, der dieses Fest zu seinen Ehren zum ersten Mal erleben würde, war an den Vorbereitungen nicht beteiligt. Er stand mit einem der Ältesten auf einem Boot und umsegelte mit ihm die Insel. Er bemühte sich die Aufregung, die ihn ergriffen hatte vor Vidanus zu verbergen. Die ganze Geschäftigkeit im Palast, die in erster Linie mit seiner Krönung zu tun hatte, war Krotos auf den Magen geschlagen. Außerdem war er nicht ganz seefest, schon leichte Wellen setzten ihm zu und er musste Vidanus zwei Mal bitten, anzulegen, damit er sich vom Schaukeln des Schiffes erholen konnte. Bei dieser Gelegenheit lernte er die Insel Miatris kennen. Der Gebirgszug, der sich in der Mitte erhob, hatte schneebedeckte Gipfel. Die Berge waren so hoch, dass sie noch nie ein Bewohner der Insel erklommen hatte. Die wenigen kleineren Berge, die sich im Norden der Insel befanden, waren wie auf Astrilandis teilweise erloschene, aber auch noch tätige Vulkane. Aus einem dieser Vulkane floss sein ewigen Zeiten ein Lavastrom ins Meer, der bereits eine neue Insel erzeugt hatte. Krotos befragte seinen Begleiter über die letzten großen Ausbrüche, aber Vidanus versicherte ihm, dass sich kein lebender Einwohner von Miatris mehr an ein solches Ereignis erinnerte. Krotos erzählte Vidanus von seinem Erlebnis auf dem Vulkan von Tondoros und zeigte ihm seine Verbrennungen an den Beinen. Vidanus sagte: „Mein Herr, dann werdet Ihr im Palast von Subsidonos keine ruhige Stunde haben, denn der See am Fuße des Kegels wird noch immer von heißen Quellen gespeist. Trotzdem leben unsere Herrscher seit urdenklichen Zeiten in diesem Vulkankrater.“ Die Bewohner von Subsidonos badeten jeden Morgen darin, da das Kraterwasser Heilkräfte besaß. Krotos, der es jedoch gewohnt war, im Palast von Astrilandis an der höchsten Stelle im Land zu wohnen und nicht in den Tiefen eines Kraters, empfand die Vulkanwände als Bedrohung. Krotos nickte nur zu Vidanus Ausführungen. Wenn er erst Herr von Miatris wäre, würde er einen Palast bauen lassen, der den Blick auf das schneebedeckte Gebirge und das Meer freigab.
Vidanus erzählte Krotos auch von den Vorhersagen des Orakels von Miatris, das seit langer Zeit den Untergang von Astrilandis ankündigte. Krotos schüttelte ungläubig den Kopf: „Wenn Astrilandis untergeht, dann wird auch Miatris verschwinden“, sagte er überzeugt. „Aber in Astrilandis glaubt niemand an einen Untergang, jetzt wo
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