Der Prinz von Astrilandis
den Flutopfern ging, um ihnen einen Schlafplatz anzuweisen.
Am nächsten Morgen hatte sich die See geglättet. Sie lag still wie ein Tuch, das von Geisterhand glatt gezogen war. Mita stand an der oberen Palastmauer. Der dumpfe Geruch in Pantheers Zimmer hatte ihr große Übelkeit bereitet und die aufsteigenden Dämpfe aus den Kräuterfeuern, die sie im Auftrag der weisen Frauen am Brennen hielt, hatten ihre Sinne vernebelt. Als Pantheer fest eingeschlafen war, stahl sie sich für einen Augenblick davon, um die frische Meerluft zu atmen. Sie stand an der steil abfallenden Brüstung und blickte in Richtung Miatris. Die Insel war von hier oben als kleines Pünktchen zu sehen. Viele Geschichten rankten sich um diese geheimnisvolle Insel und Mita wäre gerne einmal mit einem Schiff dorthin gefahren. Von den legendären Perlentaucherinnen und den geheimen Bräuchen diese Insel war auf Astrilandis oft die Rede, aber niemand wusste Näheres darüber.
Hero war an diesem Tag schon vor Sonnenaufgang auf den Beinen. Er hatte das Auslaufen der Suchschiffe überwacht, die schon lange außer Sicht waren. Mita sah, wie an den Felsen von Astrilandis Holzstücke und Überreste von Schilfdächern angespült wurden. Hero gesellte sich kurz zu ihr und Mita sagte: „Deinem Vater geht es etwas besser, er hat heute Morgen endlich etwas Nahrung zu sich genommen und nach Dir gefragt.“ Hero freute sich, das zu hören und ging sofort in die Kammer seines Vaters. Pantheer lag friedlich auf seinem Lager, den Blick an die Decke gerichtet. Als Hero neben seinem Lager stand, versuchte er sich aufzurichten und sagte zu seinem Sohn: „Wie lange liege ich schon hier? Ich weiß nicht wie viele Tage und Nächte vergangen sind.“ Hero sagte: „Es sind 12 Tag vergangen, seit der Schlacht in der Du verwundet wurdest.“ Pantheer sah ihn mit leerem Blick an. „Schlacht?“ sagte er in mattem Ton. „Du erinnerst Dich nicht?“, fragte Hero zögernd zurück. Pantheer schüttelte unmerklich den Kopf. „Wer hat mich verwundet?“, fragte er und fasste mit der linken Hand an seinen Brustkorb. „Dein Angreifer starb durch Deine eigene Hand“, erwiderte Hero indem er Pantheer fest in die Augen sah. Wie konnte es sein, dass sein Vater keine Erinnerung an diese schreckliche Schlacht hatte? Hero blickte in die leeren Augen seines Vaters, dann drückte er ihn sanft in sein Kissen zurück. „Du solltest jetzt etwas ruhen“, sagte er, „ich werde Dir später mehr davon erzählen.“ Von den untergegangenen Inseln konnte Hero ihm nicht berichten, Pantheer war einfach noch zu schwach und seine Verwirrtheit stürzte Hero in große Verzweiflung. Hero fühlte, wie sich sein Herz zusammenzog. Was, wenn Pantheers Erinnerung nicht mehr zurückkehrte? Noch war er der Herrscher dieses Kontinents und mächtig wie nie zuvor. Keiner der Ältesten oder Diener durfte erfahren, dass ihr König seine Erinnerungen verloren hatte. Hero ließ die Wachen vor Pantheers Schlafgemach auswechseln und erteilte Anweisung, dass ohne seine Zustimmung niemand zu ihm durfte, von Mita abgesehen, die noch immer die Pflege seines Vaters übernahm. Er ließ die Ältesten zu sich rufen und teilte ihnen mit, dass es Pantheer zwar besser ging, er aber noch keinen Besuch erhalten durfte. Sollte sich das Gerücht verbreiten, Pantheer wäre nicht voll bei Sinnen, gäbe es sofort Aufruhr im Land.
Am Abend kamen zwei der vier ausgesandten Schiffe mit einigen verletzten und erschöpften Bewohnern der untergegangenen Inseln zurück. Hero ging in den Hafen, um die Ankömmlinge zu begrüßen. Er hatte eine Halle im Palast für sie vorbereitet lassen, wo sie sich von ihren Leiden erholen konnten. Ipmeos war noch nicht unter den Ankömmlingen. Die Schiffsführer berichteten Hero, dass auch die kleineren Inseln überschwemmt worden waren, aber noch ein paar der Gebäude stehen geblieben waren. Bewohner hatte man auf diesen Inseln jedoch nicht gefunden. Das Meer hatte sie alle weggespült und verschlungen. Hero beschloss noch am gleichen Abend das Orakel aufzusuchen, um zu erfahren, ob eine solche Gefahr auch für Astrilandis drohte.
30. Kapitel
Das Sanivalafest
Die schweren Stürme hatten auch weite Landstriche von Miatris verwüstet. Eine Flutwelle hatte an der Küste einen Teil der Hütten überspült, die zu den Ärmsten des Landes gehörten. Im Hafen von Miatris waren einige der Segelschiffe umgeschlagen und die Masten waren gebrochen. Die ganze Insel war im Aufruhr und versuchte, die
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