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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Waldbewohner spielte und dabei nackt bis auf die Kniehose war! Selbst nach all der Zeit, die sie nun mit dem Heiligen Krieg unterwegs war, wirkten Kniehosen auf sie noch immer befremdlich, barbarisch – und seltsam anziehend. In vielen Städten Nansurs waren sie verboten.
    »Weißt du, warum die Leute aus Nilnamesh Katzen für menschlicher halten als Affen?«, fragte er, als er das Holz an den Stamm der großen Kiefer stapelte.
    »Nein.«
    Er drehte sich zu ihr um und schlug die Hände auf die Kniehose. »Weil sie glauben, Neugier definiere den Menschen.« Er kam grinsend auf sie zu. »Dich definiert sie gewiss.«
    »Das hat mit Neugier nichts zu tun«, entgegnete sie und versuchte, ärgerlich zu klingen. »Dein Rucksack stinkt wie schimmeliger Käse.«
    »Ich dachte immer, er stinkt nach mir.«
    »Du stinkst wie ein Esel.«
    Achamian lachte und hob diabolisch die Brauen.
    Sie warf ihm Kiefernnadeln ins Gesicht, doch der Wind trug sie fort. »Und wofür ist die?«, fragte sie und wies auf die Puppe. »Um kleine Mädchen in dein Zelt zu locken?«
    Er setzte sich neben sie. »Das ist eine Wathi-Puppe. Wenn ich dir mehr darüber erzähle, zwingst du mich, sie wegzuwerfen.«
    »Verstehe. Und das?«, fragte sie und hob das gefaltete Blatt. »Was ist das?«
    Seine gute Laune war wie fortgeweht.
    »Das ist mein Schema.«
    Sie hielt ihm das Pergament hin und verscheuchte damit eine kleine Wespe. »Was bedeutet die Schrift? Sind das Namen?«
    »Namen von Einzelpersonen und verschiedenen Gruppen. Alle haben einen Bezug zum Heiligen Krieg. Die Linien deuten ihre Beziehungen zueinander an. Das hier…«, sagte er und zeigte auf ein paar Buchstaben am linken Rand, »… heißt Maithanet.«
    »Und das darunter?«
    »Inrau.«
    Ohne nachzudenken, umklammerte sie sein Knie.
    »Und was steht hier oben rechts in der Ecke«?, fragte sie etwas zu rasch.
    »Die Rathgeber.«
    Sie hörte zu, wie er die Namen aufzählte – den Kaiser, die Scharlachspitzen, die Cishaurim –, ihre jeweiligen Absichten erläuterte und seine Vermutungen darüber äußerte, wie sie miteinander in Verbindung standen. Er sagte nichts, was sie nicht schon gehört hatte, aber auf einmal schien es wichtig zu sein, weil es mit Tinte auf diese getrocknete Tierhaut gekritzelt war. Plötzlich schien es erschreckend real. Eine Welt voll unversöhnlicher Mächte, die im Verborgenen grausam walteten…
    Sie bekam eine Gänsehaut und begriff, dass Achamian ihr nicht gehörte – jedenfalls nicht richtig. Und das würde er auch nie. Wer war sie denn, verglichen mit diesen Mächten?
    Ich kann nicht mal lesen.
    »Warum, Akka?«, fragte sie. »Warum hast du aufgehört?«
    »Wie meinst du das?« Er starrte auf das Pergament, als wäre er in Gedanken vertieft.
    »Ich weiß, was du zu tun hast, Akka. In Sumna warst du ständig unterwegs, hast Nachforschungen angestellt und dich um Informanten bemüht. Oder du hast auf irgendwelche Nachrichten gewartet. Du warst dauernd am Auskundschaften. Und jetzt nicht mehr… Nicht, seit du mich in dein Zelt gebracht hast.«
    »Ich halte das nur für fair«, sagte er munter. »Nach allem, was du aufgegeben…«
    »Lüg nicht, Akka.«
    Er seufzte und nahm, obwohl er doch saß, die gebeugte Haltung eines Sklaven an, der eine schwere Last trägt. Sie sah ihm in die klaren, glänzend braunen Augen, in denen Lust, Trauer und Weisheit standen. Wie immer, wenn sie ihm so nah war, wünschte sie sich, ihm mit den Fingern durch den Bart zu kämmen und sein Kinn und seinen Kiefer zu ertasten.
    Wie sehr ich dich liebe!
    »Es geht nicht um dich, Esmi«, sagte er. »Sondern um ihn…« Sein Blick fiel auf den Namen, der dem Wort Rathgeber am nächsten war – den einzigen Namen, den er ihr noch nicht vorgelesen hatte.
    Und das musste er auch nicht.
    »Um Kellhus«, sagte sie.
    Sie schwiegen eine Weile. Ein plötzlicher Windstoß fegte durch die Kiefer, und sie sah, wie Staubflocken den Granithang hinauf und in den Himmel geweht wurden. Einen Moment lang hatte sie Angst um die Pergamentbündel, deren Ecken wie sprachlose Münder auf- und zuklappten, doch sie waren unter den Steinen in Sicherheit.
    Seit sie von dem Schlachtfeld geflohen waren, hatten sie nicht mehr über Kellhus geredet – sei es in stummem Einvernehmen, sei es mit jener unausgesprochenen gemeinsamen Abneigung, mit der Partner gewisse Themen wie Treue oder Sex vermeiden. Meist aber schien es einfach unnötig, über ihn zu sprechen, als sei über Kellhus längst alles gesagt.
    Eine Zeit lang

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