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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Gören, und wir würden euch an den Hintern gehen, wenn er so muskulös wäre wie das Hinterteil unserer Pferde.«
    »Verschone mich mit deinen Annäherungsversuchen, Scylvendi!«
    »Aber du wirst weiterleben!«, rief Esmenet. »In der Narbe, die ich mir in den Arm ritze!«
    Das Lager kreischte vor Lachen. Xinemus senkte prustend den Kopf zwischen die Knie. Esmenet rollte sich auf ihrer Matte zurück und lachte in ihrer verführerischen und bezaubernden Art. Zenkappa und Dinchases lehnten die Schultern aneinander und japsten. Serwë hatte sich zusammengerollt und schien vor Freude eher zu weinen als zu lachen. Kellhus lächelte nur und wirkte, als wäre ihm die Hysterie seiner Zuhörer ein Rätsel.
    Als Cnaiür am späteren Abend zurückkehrte, verstummten alle so verlegen wie verschwörerisch. Mit finsterer Miene blieb der Scylvendi am Feuer stehen und schaute von einem grinsenden Gesicht zum nächsten. Achamian warf Serwë einen kurzen Blick zu und war erschrocken, wie böse sie lächelte.
    Plötzlich platzte Esmenet lachend heraus: »Du hättest Kellhus hören sollen. Du hast urkomisch geklungen!«
    Das wettergegerbte Gesicht des Scylvendi wurde ausdruckslos. Seine mörderischen Augen wurden stumpf von… War es möglich? Dann gewann die Verachtung wieder die Oberhand. Er spuckte ins Feuer und schritt davon.
    Sein Speichel zischte.
    Kellhus erhob sich und schien von tiefer Reue erfüllt.
    »Dieser dünnhäutige Flegel«, sagte Achamian verärgert. »Spott ist ein Geschenk zwischen Freunden. Ein Geschenk.«
    Der Prinz fuhr herum. »Tatsächlich? Vielleicht ist das nur eine Ausrede?«
    Achamian konnte nur sprachlos aus der Wäsche gucken. Kellhus hatte ihn getadelt! Der Hexenmeister blickte die anderen an und sah seinen Schreck, nicht aber seine Bestürzung in ihren Mienen gespiegelt.
    »Ist Spott tatsächlich ein Geschenk unter Freunden?«, wollte Kellhus noch immer wissen.
    Achamian merkte, wie er rot wurde und seine Lippen zu zittern begannen. Und er hatte den Eindruck, die Stimme des Dûnyain ähnelte der seines Vaters…
    Wie kommt er dazu, mir zu…
    »Verzeih mir, Akka«, sagte der Prinz und senkte den Kopf, als wäre er über seinen Ausbruch fassungslos. »Ich habe dich für meine Torheit strafen wollen und mich dadurch doppelt zum Narren gemacht.«
    Achamian schluckte, schüttelte den Kopf und zwang sich ein Lächeln ab.
    »Nein, ich entschuldige mich…« Seine Stimme zitterte. »Ich war zu schroff.«
    Kellhus lächelte, beugte sich vor und legte Achamian die Hand auf die Schulter. Diese Berührung ließ eine Körperhälfte des Hexenmeisters ertauben. Aus irgendeinem Grund verwirrte ihn der Geruch des Prinzen – Leder mit einem Hauch Rosenwasser – immer wieder.
    »Dann sind wir beide Narren«, meinte Kellhus. Zwar war Achamian über diese Wendung erfreut, hatte zugleich aber kurz das unheimliche Gefühl, der Dûnyain erwarte etwas.
    »Das sag ich schon die ganze Zeit«, brummte Xinemus von der anderen Seite des Feuers her.
    Wie immer hatte der Marschall sich genau zum richtigen Zeitpunkt eingemischt. Esmenet prustete als Erste los, und sie gewannen ein Gutteil ihrer früheren Heiterkeit zurück. Auch Achamian musste unwillkürlich lachen.
    Unvermeidlicherweise gerieten sie alle bisweilen mit dem Temperament der anderen in Konflikt. Dann lästerte Xinemus über Iryssas, der über Esmenet lamentierte, die über Serwë meckerte, die über Achamian nörgelte, der über Xinemus schimpfte, er oder sie sei zu blöd, zu direkt, zu platt, zu ordinär und so weiter. Alle waren gewissermaßen feilschende Kaufleute, besaßen aber weder Waage noch Prüfstein, um Gewicht oder Reinheit ihres Münzgelds zu bestimmen. Sie konnten nur Vermutungen anstellen. Lästereien, kleinliche Eifersucht, Ärger, Streit und Entscheidungen durch Dritte gehörten nun mal zum Markttreiben des menschlichen Alltags.
    Doch bei Kellhus war es anders. Irgendwie brachte er es fertig, sich auf dem Markt umzusehen, ohne seine Geldbörse zu zücken. Fast von Beginn an hatten sie ihn als ihren Richter anerkannt, selbst Xinemus, der eigentlich der Ranghöchste an ihrem Feuer war. Zweifellos umgab Kellhus etwas Ungewisses – eine Unberechenbarkeit, die mit seiner Brillanz einherging –, doch das waren nur Arabesken, die sich um einen tiefgründigen und unbeweglichen Mittelpunkt schlangen. Er war so intelligent und scharfsinnig wie kaum einer in naher oder ferner Vorzeit. Sein Mitgefühl stand dem von Inrau nicht nach und ging doch weit tiefer,

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