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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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und der Zweiten Apokalypse war zu etwas Banalem und weit Entferntem geworden – wie Gerüchte über Krieg unter hellhäutigen Völkern. Seswathas Träume waren so heftig wie immer, verloren sich aber in der Sanftheit von Esmenets Berührungen und im Trost ihrer Stimme. »Pst, Akka«, sagte sie dann, »es ist nur ein Traum«, und die schrecklichen Bilder lösten sich wie Rauch in nichts auf. Ausnahmsweise lebte Achamian einmal ganz im Jetzt… Es berührte ihn unmittelbar, wenn ihre Augen eine Kränkung widerspiegelten, die er ihr durch eine achtlose Bemerkung zugefügt hatte. Er genoss, wie ihre Hand wie von selbst zu seinem Knie wanderte, wann immer sie beisammensaßen. Und es bewegte ihn tief, wenn sie nachts nackt im Zelt lagen, sie den Kopf auf seine Brust gelegt hatte, ihr Haar fächerartig über seine Schulter und seinen Nacken floss und sie über Dinge sprachen, von denen nur sie beide wussten.
    »Jeder weiß es«, sagte sie eines Nachts, nachdem sie sich geliebt hatten.
    Sie hatten sich früh zurückgezogen, während die anderen erst Scheinproteste, dann brüllendes Gelächter angestimmt hatten und schließlich der Magie von Kellhus’ Stimme verfallen und absolut still geworden waren. Das Feuer brannte noch, und sie sahen es gedämpft und verzerrt durch die dunkle Zeltwand leuchten.
    »Er ist ein Prophet«, setzte sie hinzu.
    Achamian spürte so etwas wie Panik. »Was sagst du da?«
    Sie drehte sich um und musterte ihn. Ihre Augen schienen von innen zu glitzern. »Nur das, was du hören musst.«
    »Und warum sollte ich das hören müssen?« Was hatte sie da gesagt?
    »Weil du es denkst. Und fürchtest. Vor allem aber, weil du es brauchst.«
    Wir sind verdammt, sagten ihre Augen.
    »Das finde ich nicht komisch, Esmi.«
    Sie runzelte zwar die Stirn, doch das wirkte so unbeteiligt, als hätte sie einen Riss in einem ihrer neuen, von den Kianene erplünderten Seidenstoffe bemerkt. »Wann hast du dich zuletzt in Atyersus gemeldet? Vor Wochen? Oder vor Monaten?«
    »Was hat das damit zu…«
    »Du wartest ab, Akka. Du wartest ab, um zu sehen, was aus ihm wird.«
    »Aus Kellhus?«
    Sie wandte ihr Gesicht ab und legte das Ohr auf sein Herz. »Er ist ein Prophet.«
    Sie kannte ihn. Wenn er zurückdachte, hatte er das Gefühl, sie habe ihn schon immer gekannt. Er hatte sie bei der ersten Begegnung sogar für eine Hexe gehalten, und zwar nicht nur wegen des kaum wahrnehmbaren Mals, das auf eine verzauberte Muschel deutete, die sie zur Verhütung einsetzte, sondern auch, weil sie – als er kaum fünf Worte gesagt hatte – schon wusste, dass er ein Hexenmeister war. Vom ersten Moment an hatte sie ein Händchen für ihn gehabt. Für Drusas Achamian.
    Es ist seltsam, wenn einen jemand kennt, wirklich kennt. Wenn man erwartet wird, ohne dass der Partner Luftschlösser baut, und als der akzeptiert wird, der man ist, statt als eine Hoffnung zu gelten, die sich erst zu erfüllen hat.
    Und es war seltsam, jemanden wirklich zu kennen. Manchmal lachte sie so sehr, dass sie aufstoßen musste. Und wenn sie enttäuscht war,leuchteten ihre Augen so schwach wie Kerzen, denen es an Luft mangelte. Sie mochte es, Messer zwischen den Zehen zu spüren. Sie liebte es, die Hand locker und reglos zu halten, während sein Glied darunter schwoll. Sie hatte Angst vor Pferden. Wenn sie in Gedanken versunken war, streichelte sie ihre linke Achselhöhle. Sie verbarg ihr Gesicht nicht, wenn sie weinte. Und sie konnte so schöne Dinge sagen, dass Achamian manchmal dachte, ihm bliebe das Herz stehen.
    All diese Kleinigkeiten waren für sich genommen ganz einfach, in ihrer Gesamtheit aber erschreckend und geheimnisvoll. Und doch handelte es sich um ein Geheimnis, das er kannte.
    War das womöglich Liebe? Ein Geheimnis zu kennen und ihm zu vertrauen?
    In der Nacht des Ishoiya, die die Leute aus Conriya mit gewaltigen Mengen eines stinkenden und leicht entflammbaren Schnapses namens Perrapta feierten, hatte Achamian Kellhus einmal gebeten zu beschreiben, wie er Serwë liebe. Nur er, Xinemus und Kellhus waren noch wach gewesen. Und sie waren sehr betrunken.
    »Jedenfalls anders als du Esmenet liebst«, hatte der Prinz geantwortet.
    »Und wie liebe ich sie?«, hatte Achamian gefragt, sich taumelnd erhoben und schwankend vor dem Lagerfeuer gestanden. »Wie ein Fisch das Meer? Oder wie, wie…«
    »… wie ein Betrunkener sein Fass«, gluckste Xinemus.
    Achamian gab ihm da Recht, wollte aber unbedingt Kellhus’ Antwort hören. »Also, mein Prinz? Wie

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