Der Prinz von Atrithau
Skauras am Südufer des Sempis überraschen kann«, antwortete Proyas unwirsch, »aber ich habe nicht vor, die Frömmigkeit eines Mannes zu erörtern, den ich als Freund betrachte.«
Obwohl geräumig und prächtig eingerichtet, war es im Pavillon von Proyas düster und unerträglich heiß. Während die anderen ihre Zelte gegen verlassene Landgüter getauscht hatten, tat Proyas so, als wäre er noch auf dem Marsch.
Nur ein Fanatiker führt sich so auf, dachte Conphas.
»Habt Ihr von diesen Predigten beim Xijoser gehört?«, fragte er dann und dachte dabei: Martemus, du Narr…
Aber der General war kein Narr, und genau das war das Problem.
Conphas konnte sich kaum jemanden vorstellen, der weniger närrisch war.
»Ja«, antwortete Proyas aufgebracht. »Ich bin mehrmals dazu eingeladen worden, aber der Feldzug hält mich auf Trab.«
»Das kann ich mir vorstellen… Habt Ihr gewusst, dass viele hochrangige Soldaten – ob meine oder Eure Männer – von Kellhus als dem Kriegerpropheten sprechen?«
»Ja, auch das ist mir bekannt«, sagte Proyas mit der gleichen nachsichtigen Ungeduld wie zuvor, aber mit zusammengekniffenen Brauen, als würde ihn ein beunruhigender Gedanke zwicken.
»Noch«, sagte Conphas mit einer Stimme, die nah an der Grenze zur schlechten Laune war, »ist dies der Heilige Krieg des Letzten Propheten, von Inri Sejenus. Wenn dieser Schwindler aber weiter Anhänger um sich schart, wird er schnell zum Heiligen Krieg des Kriegerpropheten werden. Versteht Ihr?«
Tote Propheten waren nützlich, weil man in ihrem Namen herrschen konnte. Aber lebende Propheten? Noch dazu, wenn sie zu den Cishaurim gehörten?
Vielleicht sollte ich ihm erzählen, was mit Skeaös geschehen ist, überlegte Conphas.
Proyas schüttelte den Kopf in müder Ablehnung. »Was soll ich Eurer Meinung nach tun? Kellhus ist… anders. Daran gibt es keinen Zweifel. Und er hat diese Träume. Aber er behauptet nicht, ein Prophet zu sein. Und er mag es nicht, wenn andere ihn so nennen.«
»Was soll das denn heißen? Muss er also erst zugeben, ein falscher Prophet zu sein? Reicht es nicht, dass er es ist?«
Gequält musterte Proyas ihn von oben bis unten, als beurteilte er die Angemessenheit seiner Rüstung. »Warum beunruhigt Euch das so, Conphas? Ihr seid ganz sicher kein frommer Mann.«
Was soll ich deiner Meinung nach jetzt tun, Xerius, mein lieber Onkel?, überlegte Conphas. Soll ich es ihm erzählen?
Er unterdrückte den Wunsch, wie der Scylvendi zu spucken, und fuhr sich stattdessen mit der Zunge über die Zähne. Er verachtete Unentschlossenheit.
»Es geht hier nicht um meine Frömmigkeit.«
Proyas atmete einmal tief durch. »Ich war stundenlang mit Kellhus zusammen, Conphas. Wir haben uns gegenseitig aus der Chronik des Stoßzahns und dem Traktat vorgelesen, und in all der Zeit habe ich bei ihm nicht den leisesten Hinweis auf Ketzerei entdeckt – im Gegenteil, er ist vielleicht der frömmste Mensch, der mir je begegnet ist. Dass andere ihn inzwischen einen Propheten nennen, ist zugegebenermaßen beunruhigend, aber es ist nicht sein Werk. Die Menschen sind schwach, Conphas. Ist es da wirklich überraschend, dass sie seine Stärke für mehr halten als sie ist?«
Conphas spürte, dass sich süße Verachtung auf seinem Gesicht breitmachte. »Sogar Euch hat er umgarnt!«
Was für ein Mensch! Obwohl er es nur ungern zugab, hatte ihn die kurze Unterredung mit Martemus erschüttert. Irgendwie hatte es dieser Prinz Kellhus binnen weniger Wochen geschafft, aus seinem zuverlässigsten Mann einen brabbelnden Idioten zu machen. Dieses Gerede über die Wahrheit! Über die Schwäche des Menschen! Über das Feuer, in das man sich werfen müsse!
So ein Unsinn! Aber ein Unsinn, der durch den Heiligen Krieg sickerte wie Blut durch Filz. Dieser Kellhus war eine Wunde. Und falls er wirklich – wie Conphas’ lieber alter Onkel Xerius fürchtete – ein Kundschafter der Cishaurim war, konnte er sich sehr wohl als unheilvoll erweisen.
Proyas war wütend und beantwortete Verachtung mit Verachtung. »Umgarnt!«, schnaubte er. »Klar, dass Ihr das so seht. Ehrgeizige Menschen missverstehen die Frommen immer, denn für sie sind nur materielle Ziele vernünftig. Ziele, die elementare Bedürfnisse stillen.«
Diese Worte klangen, wie Conphas fand, recht gezwungen.
Wenigstens habe ich ihm den Samen des Zweifels eingepflanzt.
»Es lebt sich entschieden besser, wenn diese Bedürfnisse gestillt sind«, stieß Conphas hervor und machte dann auf
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