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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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hielt, als wollte sie sie vor den Schrecken des Frauseins bewahren.
    Und er dachte an Proyas.
    In den schlimmsten Nächten schrie er in der Finsternis seines Zelts, schluchzte, trommelte mit den Fäusten auf den Boden und verfluchte Himmel und Erde, Anasûrimbor Moënghus und seinen grässlichen Sohn.
    In den besten Nächten schlug er sein Zelt gar nicht erst auf, sondern ritt ins nächste Dorf, trat die Türen ein und ergötzte sich an den verzweifelten Schreien, die ihm entgegenschlugen. Aus einer Laune heraus verschonte er all die Türen, die mit etwas gekennzeichnet waren, das er für das Blut von Lämmern hielt. Doch als er feststellte, dass alle Türen dieses Zeichen trugen, trat er sie alle ein und brüllte: »Tötet mich – dann hört das auf!«
    Brüllende Männer. Kreischende Mädchen. Stumme Frauen.
    Er nahm jede Entschädigung, die er bekommen konnte.
    Eine Woche verging, ehe Cnaiür den Ort fand, von dem aus der Heilige Krieg am besten ans andere Ufer übersetzen konnte: die seichten Brackwassersümpfe am Südrand des Sempisdeltas. Natürlich lehnten alle Hohen Herren außer Proyas und Conphas diesen Vorschlag ab – besonders, nachdem ihre Leute ihnen das Gebiet beschrieben hatten. Sie waren mit Leib und Seele Ritter, also zum Angriff ausgebildet und erzogen, und nach allem, was man hörte, konnten Pferde das Delta höchstens dann durchqueren, wenn ihre Reiter sie am Zügel führten.
    Das war natürlich der Clou des Ganzen.
    Bei einer Beratung in Iothiah befahl Proyas dem Scylvendi, den Inrithi seinen Plan zu erläutern. Cnaiür trat an den Tisch der Hohen Herren und entrollte eine große Karte des Sempisdeltas.
    »Bei Mengedda«, erklärte er, »habt ihr erfahren, wie schnell die Kianene sind. Wo immer ihr euch also sammelt, um den Sempis zu überqueren, wird Skauras euch zuvorkommen. Bei Mengedda habt ihr aber auch gelernt, wie stark eure Fußsoldaten sind. Und wichtiger noch: Ihr habt eurem Gegner eine Lektion erteilt. Die Sümpfe sind seicht. Selbst ein schwer bewaffneter Mann kann sie leicht durchqueren, doch Pferde müssen geführt werden. So sehr ihr auch eure Pferde rühmt – die Kianene rühmen die ihren noch mehr. Sie werden nicht absitzen wollen, doch auch ihre gemeinen Soldaten werden sie nicht angreifen lassen, denn was könnte ihre Infanterie gegen Männer ausrichten, die den Angriff des Padirajah haben brechen können? Skauras wird euch daher den ganzen Sumpf überlassen«, – Cnaiür tippte mit dem Zeigefinger auf eine Stelle, die ein gutes Stück südlich des Deltas lag –, »und sich hierher zurückziehen, in die Festung Anwurat. Er wird euch all diese Weiden geben, auf denen ihr euch zur Schlacht sammeln könnt. Und auch eure Pferde wird er euch lassen.«
    »Warum bist du dir da so sicher?«, rief Gothyelk. Von allen Hohen Herren (bis auf Conphas natürlich) schien der alte Graf von Agansanor am meisten über die wilde Herkunft des Scylvendi beunruhigt.
    »Weil Skauras kein Dummkopf ist«, sagte Cnaiür gelassen.
    Gothyelk schlug mit der Faust auf den Tisch, doch noch ehe Proyas einschreiten konnte, erhob sich Conphas und sagte: »Er hat Recht!«
    Verblüfft drehten sich die Hohen Herren zu ihm um. Seit dem Debakel bei Hinnereth hatte Conphas sich kaum geäußert. Sein Rat war nicht länger willkommen. Aber zu hören, dass er dem Scylvendi bei einem so waghalsigen Plan beipflichtete…
    »Er hat Recht, so ungern ich das auch sage«, stellte Conphas fest. »Er hat unseren Übergang aufs Südufer gefunden.«
    Cnaiür stellte sich vor, diesem verhätschelten Kerl die Kehle durchzuschneiden.
    Fortan war der Ruf des Häuptlings der Scylvendi gesichert. Er wurde bei einigen adligen Inrithi sogar schick, besonders bei den Ainoni und ihren Frauen. Proyas hatte ihn davor gewarnt. »Sie werden sich zu dir hingezogen fühlen wie alte Lüstlinge zu jungem Blut«, hatte er gemeint. Cnaiür wurde mit Einladungen und Angeboten regelrecht überhäuft. Eine Frau schaffte es in ihrer Unermüdlichkeit sogar, ihn in seinem Zelt aufzuspüren, und er hätte sie am liebsten erwürgt.
    Als der weit übers Nordufer verteilte Heilige Krieg sich in der Nähe von Iothiah zu sammeln begann, machte Cnaiür sich Sorgen über Skauras, wie er sich vor der Schlacht am Kiyuth einst Sorgen über Conphas gemacht hatte. Der Sapatishah kannte offenbar keine Furcht. Fast schon legendär war die Geschichte, wie er sich seelenruhig die Nägel geschnitten hatte, während Saubons Agmundrmänner einen wahren Pfeilregen auf

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