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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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das Gras ringsum hatten niedergehen lassen. Und beim Verhör gefangener Kianene hatte Cnaiür weitere Details erfahren: dass er ein strenger Zuchtmeister war, Organisationstalent besaß und selbst bei denen Respekt genoss, die vom Rang her über ihm standen – bei Fanayal zum Beispiel, dem Sohn des Padirajah, oder bei seinem berühmten Schwiegersohn Imbeyan. Ungewollt hatte Cnaiür auch von Conphas viel über ihn erfahren, denn der Oberbefehlshaber erzählte mitunter Vorfälle aus jenen Jugendjahren, die er als Geisel des Sapatishah verbracht hatte. Wenn man diesen Geschichten Glauben schenken durfte, war Skauras ein überaus schlauer und seltsam boshafter Mann.
    Von all den Charakteristika beeindruckte die Boshaftigkeit Cnaiür am meisten. Offenbar versetzte Skauras den Wein, den er seinen ahnungslosen Gästen vorsetzte, liebend gern mit diversen Rauschmitteln der Ainoni und der Leute aus Nilnamesh – bisweilen sogar mit Chanv. »Alle, die mit mir trinken«, soll er laut Conphas mal behauptet haben, »trinken auch mit sich selbst.« Als Cnaiür diese Geschichte zum ersten Mal hörte, hielt er sie nur für einen weiteren Beweis dafür, wie Luxus das männliche Empfinden korrumpiert. Inzwischen aber war er sich nicht mehr so sicher. Durch die Rauschmittel – das war ihm nun klar – sollten Skauras’ Gäste sich anders wahrnehmen und sich selbst zu Fremden werden, mit denen sie bechern konnten.
    Und das bedeutete, dass der listige Sapatishah andere nicht nur gern austrickste und täuschte, sondern sie auch gern vorführte, um etwas zu zeigen oder zu beweisen.
    Für Skauras war die bevorstehende Schlacht mehr als nur ein Kampf: Sie sollte eine Demonstration werden. Er hatte die Inrithi bei Mengedda unterschätzt und nur seine Stärken und die Schwächen des Gegners gesehen – so wie Xunnurit den Gegner Conphas am Kiyuth unterschätzt hatte. Der Sapatishah würde die Männer des Stoßzahns nicht mit Waffengewalt überwältigen wollen, denn er war nicht der Mann, Fehler zu wiederholen. Viel eher würde er sie überlisten und als Dummköpfe dastehen lassen wollen.
    Was würde der listige alte Krieger also tun?
    Cnaiür teilte Proyas seine Befürchtungen mit.
    »Du musst dafür sorgen«, sagte er dem Prinzen, »dass die Scharlachspitzen unter allen Umständen beim Heer bleiben.«
    Proyas drückte die Hand an die Stirn. »Eleäzaras wird sich dagegen sträuben«, sagte er müde. »Er hat schon erklärt, er werde dem Heer erst folgen, wenn der Heilige Krieg den Sempis gequert hat. Offenbar haben ihm seine Kundschafter berichtet, dass die Cishaurim in Shimeh bleiben.«
    Cnaiür blickte finster drein. »Aber dann wären wir doch im Vorteil!«
    »Ich fürchte, die Scharlachspitzen sparen sich für die Cishaurim auf.«
    »Sie müssen uns begleiten«, wiederholte Cnaiür. »Auch wenn sie nicht in Erscheinung treten. Du musst etwas opfern können!«
    Der Prinz lächelte traurig. »Oder jemanden«, sagte er ungewöhnlich betrübt.
    Wenigstens einmal täglich ritt Cnaiür zum Fluss, um sich einen Überblick über die Vorbereitungen zu verschaffen. Auf den Schwemmebenen rings um Iothiah und am Nordufer des Sempis hatte man alle Bäume gefällt. Tausende entblößter Inrithi mühten sich mit den Stämmen ab, bearbeiteten sie mit der Axt und banden sie zusammen. Er konnte meilenweit durch den Geruch von Schweiß, Pech und behauenem Holz reiten, ehe ein Ende in Sicht kam. Hunderte jubelten ihm beim Vorbeireiten zu und grüßten ihn mit dem Ruf: »Scylvendil«, als wäre seine Herkunft Titel und Ruhm zugleich.
    Cnaiür brauchte nur einen Blick über den Sempis zu werfen, um zu wissen, dass Skauras sie am anderen Ufer erwartete. Ganze Divisionen von Reitern der Fanim, die von fern wie winzige Milben aussahen, patrouillierten ununterbrochen am Ufer. Manchmal hörte er sie aus tausend Kehlen übers Wasser johlen, und manchmal vernahm er ihr Trommeln.
    Als Vorsichtsmaßnahme waren kaiserliche Kriegsgaleeren im Fluss stationiert.
    Das Einschiffen des Heiligen Kriegs begann weit vor dem Morgengrauen. Hunderte primitiver Lastkähne und tausende Flöße wurden erst in den Sempis gestakt, dann gepaddelt. Als die Morgensonne das Wasser golden färbte, war der Großteil der gewaltigen, mit besorgten Männern und Pferden voll beladenen Flotte unterwegs.
    Cnaiür setzte mit Proyas und dessen engstem Gefolge über. Xinemus war nicht dabei, was dem Scylvendi seltsam vorkam, bis er begriff, dass der Marschall sich um seine eigenen Männer kümmern

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