Der Prinz von Atrithau
geschlafen. Ich hab nur geweint.
Ihr Gesicht fühlte sich vom Vorabend noch wund an. Die Nacht war heiß gewesen, und sie hatten ohne Decken geschlafen. Sie lag lange reglos da und genoss seine hellhäutige Nähe. Dann legte sie ihm die Hand auf die nackte Brust. Er war warm und weich, und sie spürte sein langsam schlagendes Herz. Sie fühlte den Puls in ihren Fingern/ als würde sie den Amboss eines hämmernden Schmieds berühren.
»Kellhus«, sagte sie, fasste sein Profil ins Auge und wusste, dass er wach war.
Er drehte sich um und blickte sie mit lächelnden Augen an.
Sie schnaubte verlegen und sah weg.
»Seltsam, so nah beieinander zu liegen, was?«, meinte er.
» Ja«, sagte sie und blickte erst auf und dann nach draußen. »Sehr seltsam.«
Er drehte sich so, dass er sie ansehen konnte. Esmenet hörte Serwë hinter ihm im Halbschlaf stöhnen und maulen.
»Sch«, machte er und kicherte leise. »Sie liebt den Schlaf mehr als mich.«
Esmenet schaute ihn lachend an, schüttelte den Kopf und strahlte ungläubig und erregt.
»Wie seltsam das ist!«, stieß sie hervor. Nie hatte sie das Gefühl gehabt, so zu strahlen.
Sie drückte nervös die Knie zusammen. Er war so nah!
Kaum beugte er sich zu ihr vor, verlor ihr Kiefer an Spannkraft, und ihre Lider wurden schwer.
»Nein«, keuchte sie.
Kellhus sah sie mit freundlichem Stirnrunzeln an. Sie fühlte sein Gewicht.
Er war ein Mann, der sie klein erscheinen ließ – und so gehörte es sich wohl für einen Mann.
Dann war seine Hand unter ihrem Hasas und glitt zwischen ihre Schenkel, und sie stöhnte in seine süßen Lippen. Als er sie einnahm und sie aufspießte wie der Nagel des Himmels das Himmelszelt, liefen ihre Augen voll, und sie dachte nur: Endlich nimmt er mich!
Und es war kein Traum – es war Wirklichkeit.
Niemand würde sie je wieder eine Hure schimpfen.
Teil III
Der dritte Marsch
18. Kapitel
KHEMEMA
Wer ins Wasser schifft, schifft auf sein Spiegelbild.
Sprichwort der Khirgwi
IM SÜDLICHEN SHIGEK, SPÄTSOMMER 4111
In glühender Hitze brachen die Männer des Stoßzahns schwitzend gen Süden auf, schlängelten sich die gestuften Steilhänge südlich des Sempis hinauf und erreichten die ofenheiße Ebene der Wüste Carathay, die die Khirgwi Ej’ulkijah nannten, was Großer Durst heißt. Am ersten Abend kampierten sie bei Tamiznai, einer von zurückweichenden Fanim geplünderten Karawanserei.
Kurz darauf kehrte Athjeäri, der die Route nach Enathpaneah hatte auskundschaften sollen, aus dem wüsten Süden zurück. Seine Männer hatten vor Durst und Erschöpfung hohle Augen, und seine Stimmung war düster. Er informierte die Hohen Herren, er habe keinen Brunnen gefunden, der nicht verschmutzt gewesen sei, und habe wegen der enormen Hitze bei Nacht reisen müssen. Die Heiden, so sagte er, hätten sich auf die andere Seite der Hölle zurückgezogen. Die Hohen Herren berichteten ihm von ihren endlosen Maultierkarawanen und von der kaiserlichen Flotte, die ihnen – mit frischem Sempiswasser beladen – folge, und sie legten ihm ihren ausgeklügelten Plan dar, das Wasser über die Küstenberge zu schaffen.
»Ihr wisst ja nicht«, sagte der junge Graf von Gaenri, »in welche Gegend ihr euch vorwagt.«
Am nächsten Abend dröhnten die Hörner aus Galeoth, Nansur, Thunyerus, Conriya, Ce Tydonn und Ainon durch die trockene Luft. Zelte wurden unter lautem Rufen der Soldaten und Sklaven abgebaut, Maultiere bepackt und zu langen Reihen verbunden. Die Kultpriester von Gilgaöl warfen einen Habicht in ihr Gottesfeuer und ließen einen zweiten in der Abendsonne fliegen. Infanteristen schwangen witzelnd ihr Gepäck auf ihre Speere oder bejammerten die Aussicht; nachts marschieren zu müssen. Hier und da wurden trotz des geschäftigen Treibens Lieder angestimmt, die aber bald wieder verklangen.
Die Luft kühlte ab, und die ersten Kolonnen schlugen den Weg über die westlichen Hänge der Küstenberge von Khemema ein.
Die ersten Khirgwi kamen nach Mitternacht, brüllten vom Rücken ihrer heranstürmenden Kamele und verbreiteten die Wahrheit des Einzigen Gottes und seines Propheten mit ihren scharfen Messern. Die Angriffe waren kurz, aber brutal. Die Khirgwi fielen über die Nachzügler her und tränkten den Sand mit Blut. Sie wichen dem Geleitschutz der Inrithi aus, stürzten sich mit Geheul auf den Tross und schlitzten alle Wasserschläuche auf, an die sie herankamen. Manchmal, besonders wenn
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