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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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sie auf Kiesbänke gerieten, wurden sie eingeholt und in hitzigem Nahkampf abgeschlachtet. Ansonsten aber hängten sie ihre Verfolger ab und verschwanden in der mondbeschienenen Wüste.
    Am nächsten Tag zogen die ersten Maultierkolonnen im Schneckentempo durch die Küstenberge ans Meneanor-Meer und erreichten eine Bucht, die quecksilberfarben in der Sonne lag und voll roter Farbtupfer war: den Segeln der Nansur-Flotte. Unter großem Hallo wurden die ersten Bootsladungen mit Wasser an Land gebracht, und singend machten sich die Männer an die beschwerliche Arbeit, das Wasser auf die Maultiere zu laden. Sie schufteten mit freiem Oberkörper, und viele sprangen in die Wellen, um sich abzukühlen. Als der Heilige Krieg am Abend aus seinen stickigen Zelten kroch, erwartete ihn frisches Sempiswasser.
    Die Inrithi setzten das nächtliche Marschieren fort. Trotz der grauenvollen Überfälle waren viele von der Schönheit der Carathay begeistert. Bis auf ein paar seltsame Käfer, die Dung über den Sand rollten, gab es keine Insekten. Die Inrithi lachten über diese Käfer und nannten sie Kotjäger. Auch sonst gab es keine Tiere – bis auf die Geier natürlich, die ständig über ihnen kreisten. Ohne Wasser gab es kein Leben, und bis auf die schweren Wasserschläuche des Heiligen Kriegs gab es kein Wasser in der Carathay. Es war, als habe die brennende Sonne die Welt in Knochen verwandelt. Die Männer des Stoßzahns standen abseits von Sonne, Fels und Sand und empfanden, was sie sahen, als wunderschön – wie den quälenden Alptraum eines anderen. Es war wunderschön, weil sie die Folgen dessen, was sie sahen, nicht erleiden mussten.
    Zum siebten Treffen von Heiligem Krieg und kaiserlicher Flotte bahnten die Männer des Stoßzahns sich einen Weg durch ausgetrocknete Schluchten, sammelten sich am Strand und sahen auf das von hellgrünen und türkisfarbenen Wogen marmorierte Meer, ohne auch nur ein Schiff zu entdecken. Die aufgehende Sonne tauchte die See in Weißgold. Sie sahen ferne Brecher, die an Wälle aus schäumenden Diamanten denken ließen, doch Schiffe sahen sie nicht.
    Sie warteten. Boten wurden zum Lager gesandt, und bald langten Saubon und Conphas bei ihnen an, badeten eine Zeit lang im Meer, stritten eine Stunde miteinander und ritten zum Heiligen Krieg zurück. Eine Versammlung wurde anberaumt, und der Rat der Hohen und Niederen Herren zankte bis zur Abenddämmerung über das weitere Vorgehen. Man gab Conphas die Schuld, rückte aber rasch davon ab, als er dem versammelten Adel klar machte, dass sein Leben genauso auf dem Spiel stehe wie das ihre.
    Der Heilige Krieg wartete eine Nacht und einen Tag. Als die kaiserliche Flotte dann noch immer nicht anlangte, beschloss der Rat, den Marsch fortzusetzen. Viele Theorien liefen um. Ikurei Conphas vermutete, die Flotte sei in einen Sturm geraten und man habe beschlossen, direkt zum nächsten Treffpunkt zu segeln, um Zeit zu sparen. Prinz Kellhus dagegen argwöhnte, es habe womöglich einen Grund dafür gegeben, dass die Kianene so lange gewartet hatten, den Kampf aufs Meer auszuweiten. Vielleicht seien die Kamele abgeschlachtet und die Flotte versteckt worden, um die Inrithi in die Carathay zu locken.
    Vielleicht war Khemema eine Falle.
    Zwei Tage später begleitete ein Großteil der Hohen und Niederen Herren die Maultiere über die Hügel ans Meer und stierte ratlos auf seine leere Schönheit. Als sie ins Lager zurückkehrten, zogen sie nicht länger abseits der Wüste. Sonne, Fels und Sand rückten ihnen auf den Leib.
    Alles Wasser wurde entsprechend dem Stand streng rationiert.
    Jeder, der dabei erwischt würde, Rationen zu horten oder zu viel zu nehmen, würde – so ließ man erklären – hingerichtet.
    Im Rat entrollte Conphas Landkarten, die die kaiserlichen Kartografen angefertigt hatten, als Khemema noch zu Nansur gehörte, tippte mit dem Finger auf einen Ort namens Subis und behauptete, diese Oase sei viel zu weitläufig, als dass die Heiden sie vergiften könnten. Mit dem verbliebenen Wasser könne der Heilige Krieg unversehrt bis Subis kommen. Aber nur, wenn sie alles – Maultiere, Sklaven und Tross – zurückließen.
    »Zurücklassen?«, fragte Proyas. »Wie soll das gehen?«
    Obwohl die Befehle streng geheim weitergeleitet wurden, verbreitete sich die Nachricht im Lager wie ein Lauffeuer. Viele flohen in die offene Wüste, was ihnen zum Verhängnis wurde. Andere erhoben die Waffen. Der Rest wartete einfach darauf, niedergemetzelt zu werden:

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