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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Besucher hinauswollte: Prinz Kellhus war aus der Carathay als jemand gekommen, den Tausende verehrten und alle bewunderten. Aber Conphas hätte von einem Tempelritter erwartet, dass er über Zeichen und Vorzeichen sprach, nicht über Macht.
    Der Marsch durch die Wüste war Irrsinn gewesen. Zuerst war Conphas wie alle anderen durch den Sand getrottet, hatte Sassotian, den er zum General der kaiserlichen Flotte gemacht hatte, als Idioten verflucht und dabei dauernd verzweifelt über Szenarien gebrütet, die ihn aus seiner Lage retten konnten. Als alle Hoffnung verbraucht war, die dieses Grübeln am Leben erhalten hatte, befiel ihn ein merkwürdiger Unglaube. Eine Zeit lang schien er der Aussicht zu sterben nur anstandshalber zu frönen. Sie hatte etwas von den verheißungsvollen Zusicherungen, mit denen die Händler ihre Waren versahen. Ja, ja! Du wirst sterben! Garantiert!
    Zugleich aber dachte er: Bitte lass mich nicht sterben, Gott!
    Dann verwandelte sich sein Zweifel mit einer für den gesamten Marsch durch die Wüste charakteristischen Verschwommenheit in Gewissheit, und er empfand ein fast intellektuelles Erstaunen, das Erstaunen darüber, unversehens am banalen Ende seiner Tage angekommen zu sein. Er erkannte, dass es keine letzte Seite gab, keine letzte Elle auf der Schriftrolle. Die Tinte ging einfach aus, und alles war leer und wüstenweiß.
    Hier also vollendet sich meine Bestimmung, dachte er und musterte die vom Wind gekräuselten Dünen. Dieser Ort hat schon auf mich gewartet, als ich noch nicht geboren war.
    Dann aber war er auf Kellhus gestoßen, der Wasser aus der Senke geschöpft hatte. Der Prinz war durch Wasser gewatet, während er, Conphas, am Verdursten war! Von allen wirren Möglichkeiten, die ihm durch den Kopf gegangen waren, war keine auch nur annähernd so verrückt wie die, von dem Mann gerettet zu werden, den er vergeblich zu töten versucht hatte. Was konnte bitterer sein? Lächerlicher?
    Damals hatte sein Herz gestockt (bei der Erinnerung an diese Szene flatterte es noch immer), und er hatte sich einen Moment lang gefragt, ob Martemus nicht Recht gehabt hatte. Vielleicht hatte es mit diesem Mann mehr auf sich. Mit diesem Kriegerpropheten.
    O ja, der Marsch durch die Wüste war Irrsinn gewesen.
    Conphas musterte den Tempelritter. »Aber er hat den Heiligen Krieg gerettet«, sagte er. »Euer Leben und meines auch.«
    Sarcellus nickte. »Allerdings – und das ist das Problem.«
    »Wieso?«, stieß Conphas hervor, obwohl er genau wusste, worauf sein Besucher hinauswollte.
    Der Tempelritter zuckte die Achseln. »Vor der Durchquerung der Wüste war Kellhus nur irgendein Eiferer mit Visionen. Nun aber – besonders, seit der Furchtbare Gott unter uns wütet…« Mit gefalteten Händen und auf die Knie gestützten Ellbogen beugte er sich seufzend vor. »Ich mache mir Sorgen um den Heiligen Krieg, Ikurei Conphas, nein, wir machen uns Sorgen darum. Die Hälfte unserer Brüder feiert diesen Schwindler als neuen Inri Sejenus, als Retter, und die andere Hälfte prangert ihn als verflucht an und sieht in ihm den Grund unseres Elends.«
    »Warum erzählt Ihr mir das?«, fragte Conphas sanft. »Warum seid Ihr gekommen, Sarcellus?«
    Der Tempelritter grinste schief. »Weil es Meuterei im großen Stil, Aufstände, vielleicht sogar offenen Krieg geben wird. Wir brauchen jemanden, der Geschick und Macht genug hat, solche Ereignisse auf ein Minimum zu reduzieren oder im Keim zu ersticken – jemanden, der noch über loyale Soldaten verfügt. Wir brauchen jemanden, der den Heiligen Krieg retten kann…«
    »… nachdem Ihr Prinz Kellhus getötet habt«, sagte Conphas verächtlich. Er schüttelte den Kopf und schien enttäuscht über sein mangelndes Erstaunen. »Er zeltet inzwischen bei seinen Anhängern, und sie bewachen ihn, als wäre er der Stoßzahn. Man sagt, in der Wüste hätten hundert von ihnen ihm und seinen Frauen ihr Wasser gegeben, ihr Leben also. Und jetzt haben weitere hundert Anhänger seine Leibwache gebildet, und alle haben geschworen, für ihn zu sterben. Nicht einmal der Kaiser kann so einen Schutz für sich in Anspruch nehmen! Und Ihr glaubt noch immer, Ihr könntet ihn töten!«
    Für diese Bedenken hatte Sarcellus nur ein schläfriges Blinzeln übrig, das in Conphas unsinnigerweise die Vorstellung aufkommen ließ, der Tempelritter müsse sehr hübsche Schwestern haben.
    »Das glaube ich nicht nur, Herr Oberbefehlshaber – das weiß ich.«
     
     
    Serwës Schrei war animalisch und lag

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