Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
ringsum bewaffnete Gestalten und merkte, wie aus seinem Schrei ein Husten wurde, weil ein Daumen ihm die Luftröhre zerquetschte. »Fraas kaumrut!«
    Er spürte die Kälte einer Speerspitze im Kreuz. Das war ein Gefühl, als würde er eisige Luft atmen. Dann sah er nur noch kreischende Gesichter und fühlte Blut strömen.
     
     
    Das Wesen namens Sarcellus war nur noch ein pfeifendes und keuchendes Tier, das vor Schmerz und Wut wimmerte.
    Gerade schleppte es sich durch ein zerstörtes Gotteshaus. Seit drei Tagen schlich es an den dunklen Orten der Stadt herum und hatte sein Gesicht vor Schmerz nicht schließen können. Als es nun zwischen verbrannten Schädeln hindurchschlurfte, dachte es an den Schnee, der über die Ebene von Agongorea pfiff, und an weiße Weiten mit schwarzen Pechflecken darin. Es erinnerte sich daran, durch bitterkalte Schneewehen gesprungen zu sein und die eisigen Winde eher als schmerzlindernd, nicht als beißend empfunden zu haben.
    Aber der Schnee war fern – so weit weg wie Golgotterath! –, und das Feuer schien noch immer auf seiner von Brandblasen verunstalteten Haut zu lodern.
    »Na, leidest du, Gaörta?«
    Das Wesen namens Sarcellus zuckte wie eine Katze zusammen und spähte durch die verkrampften Finger seines äußeren Gesichts.
    Wie eine schwarz glänzende Statue aus Diorit betrachtete das Mischwesen ihn reglos von einem Leichenhaufen her. Sein Gesicht wirkte im Halbdunkel weiß, feucht und undurchdringlich, als wäre es aus einer Kartoffel geschnitzt.
    Die Hülle des Altvaters… Aurang, der Feldmarschall des Weltenbrechers und alter Prinz der Inchoroi.
    »Es tut weh, Altvater, furchtbar weh!«
    »Genieß es, Gaörta – das ist nur ein Vorgeschmack dessen, was kommen wird.«
    Sarcellus schniefte und heulte, und sein inneres wie äußeres Gesicht zuckte unter den gnadenlosen Sternen.
    »Nein«, stöhnte er und trat gereizt nach dem Schutt zu seinen Füßen. »Bitte nicht!«
    »Doch«, sagten die winzigen Lippen. »Der Heilige Krieg ist dem Untergang geweiht… Du hast versagt – du, Gaörta.«
    Ein wildes Entsetzen durchfuhr ihn. Er wusste, was Versagen bedeutete, konnte sich aber nicht bewegen. In Gegenwart des Baumeisters gab es nichts als Gehorsam.
    »Aber ich war es nicht! Sie sind es gewesen! Die Cishaurim steuern den Padirajah! Es war ihr…«
    »Ihr Fehler, Gaörta?«, fragte der Altvater. »Sind sie das wahre Gift, das wir dieser Welt abgewinnen müssen?«
    Das Wesen namens Sarcellus hob in verzweifelter Abwehr die Hände. Der gesamte monströse und monumentale Ruhm der Rathgeber schien auf ihn einzustürzen. »Es tut mir leid, bitte!«
    Die winzigen Augen schlossen sich, doch Sarcellus wusste nicht, ob aus Müdigkeit oder zum Nachdenken. Als sie wieder aufgingen, waren sie blau wie Stromschnellen. »Ich habe noch eine Aufgabe für dich, Gaörta. Auch sie steht unter dem Signum der Bosheit.«
    Sarcellus warf sich vor dem Mischwesen in den Staub und krümmte sich vor Schmerz. »Ich mach alles!«, stieß er hervor. »Alles!«
    »Der Heilige Krieg ist erledigt. Wir müssen mit den Cishaurim anders fertig werden…« Erneut klappten die Augen des Mischwesens zu. »Du musst dafür sorgen, dass dieser Kellhus mit den Männern des Stoßzahns stirbt. Er darf nicht entkommen.«
    Da vergaß das Wesen namens Sarcellus den Schnee. Rache – Rache wäre Balsam für seine verbrannte Haut!
    »Sorg dafür, aber auf der Stelle«, krächzte das handtellergroße Gesicht heiser, und Gaörta hatte das Gefühl, eine enorme, alte und ehrwürdige Macht spräche durch ein Schilfrohr zu ihm. Hier und da rieselte Staub an den Mauern herab.
    »Und jetzt hol deine Tentakeln ein und nimm wieder das Gesicht von Sarcellus an.«
    Gaörta gehorchte gezwungenermaßen… und schrie ebenso unvermeidlich auf.
     
     
    Mit Proyas’ zerknülltem Schreiben in der Hand schritt Cnaiür durch einen mit Teppichen ausgelegten Flur der bescheidenen, aber strategisch günstig gelegenen Villa, in der der Prinz von Conriya sein Gefolge – oder was davon übrig geblieben war – einquartiert hatte. Ehe er das lichte Viereck des Innenhofs betrat, hielt er an und bückte sich nach einer daumengroßen Orangenschale, die vertrocknet bei einem schwarzen Marmorsockel im Staub lag. Ohne nachzudenken, stopfte er sie sich in den Mund und zuckte zusammen, weil sie so bitter war.
    Er wurde von Tag zu Tag hungriger.
    Wie konnte er meinen Sohn nur so nennen?
    Proyas erwartete ihn an einem der drei faulig riechenden Teiche in der

Weitere Kostenlose Bücher