Der Prinz von Atrithau
Haeturi hinhielt. Er lachte über den absurden Anblick von Martemus’ Haupt, das wie ein Kohlkopf am Fuß des Bettes lag. Seltsam, dass er nach allem, was sie gemeinsam durchlitten hatten, so wenig für ihn empfand.
»Der General weicht mir nicht von der Seite, Triah. Das weißt du doch.«
Fustaras war ein begeisterter Soldat. Als Proadjunkt der Kolonne Selial war er – wie es in der kaiserlichen Armee hieß – ein Dreier, also jemand, der lieber eine dritte Dienstzeit von erneut vierzehn Jahren angetreten hatte, statt sich als Veteran auf Kosten des Kaisers zur Ruhe zu setzen. Mochten sie auch der Fluch so manches jungen Offiziers sein – von ihren Generälen wurden Dreier wie Fustaras so geschätzt, dass sie oft einen höheren Sold bekamen als ihre unmittelbaren Vorgesetzten. Alle wussten, dass die Dreier das unbeugsame Herz jeder Kolonne waren – die Männer, die die Dinge durchschauten.
Deshalb wohl, vermutete Fustaras, hatte General Sompas ihn und ein paar seiner Kameraden für diesen Auftrag ausgesucht. »Wenn Kinder vom rechten Weg abkommen«, hatte der General gesagt, »muss man sie schlagen.«
Wie die meisten Männer des Stoßzahns trugen Fustaras und seine Leute Gewänder, die sie von den Kianene erplündert hatten. Sie durchstreiften einen Stadtbezirk, durch den sich zahllose von Mietskasernen gesäumte Gassen wanden. Er lag im Südosten des Potts und war ein berüchtigtes Zentrum der Zaudunyani, verfluchter Häretiker also. Viele drängten sich auf den Dächern der Mietshäuser und riefen Gebete zur nahen Bullenhöhe hinauf, wo Prinz Kellhus von Atrithau, dieser widerwärtige Hochstapler, sich noch immer eingenistet hatte.
Andere lauschten verwirrten Enthusiasten, die sie Richter nannten und die am Eingang diverser Gassen predigten.
Fustaras befolgte seine Befehle minutiös und sprach dort, wo die meisten Häretiker wohnten, einen Richter an. »Verratet mir doch bitte, mein Freund«, begann er liebenswürdig, »was man über die Wahrheit sagt.«
Der ausgezehrte Mann wandte sich ihm zu. Durch den zerzausten weißen Haarschopf hindurch glänzte sein Schädel rosa. Ohne zu zögern antwortete er: »Dass sie leuchtet.«
Als wollte er Kupferstücke hervorziehen, um sie den Bettlern zuzuwerfen, nahm Fustaras den Eschenknüppel unter seinem Umhang in die Hand. »Bist du sicher?«, fragte er, wirkte dabei so gleichgültig wie gefährlich und hob den polierten Schlagstock. »Vielleicht blutet sie ja.«
Der funkelnde Blick des Richters sprang von Fustaras’ Augen zu seinem Knüppel und wieder zurück. »Das auch«, sagte er in der unnachgiebigen Weise eines Menschen, der entschlossen ist, sein bebendes Herz unter Kontrolle zu halten. Damit die Umstehenden es hören konnten, fügte er mit lauterer Stimme hinzu: »Wozu gäbe es sonst den Heiligen Krieg?«
Dieser Häretiker ist wirklich ein Schlaumeier, dachte Fustaras belustigt. Dann riss er seinen Knüppel hoch und schlug zu. Der Mann fiel aufs Knie. Blut rann ihm über Schläfe und Wange, doch er hob zwei glitzernde Finger und zeigte auf seinen Angreifer, als wollte er sagen: Siehst du!
Fustaras schlug erneut zu, und der Richter stürzte längelang auf das rissige Kopfsteinpflaster.
Rufe hallten durch die Gasse, und Fustaras sah halb verhungerte Männer von überall angerannt kommen. Seine Leute nahmen ihn mit gezückten Knüppeln in die Mitte. Dennoch überlegte Fustaras unwillkürlich, ob der Plan des Generals wirklich so gut war… Es gab hier ungeheuer viele Häretiker. Wo kamen die bloß alle her?
Dann erinnerte er sich daran, ein Dreier zu sein.
»Alle, die dem so genannten Kriegerpropheten folgen«, rief er, »sollen wissen, dass wir Orthodoxen euch verdammen, wie ihr die verdammt habt, die…«
Etwas knallte an sein Kinn. Er taumelte rückwärts, griff sich ins Gesicht, stolperte über die leblose Gestalt des Richters, landete auf dem harten Boden und spürte Blut an den Fingern. Ein Stein… Jemand hatte einen Stein geworfen!
Um ihn herum tobte ein großes Geschrei. Mit klingenden Ohren rappelte Fustaras sich auf, hielt sich das Kinn, schaute sich um… und sah, dass seine Männer niedergemetzelt wurden. Panische Angst erfasste ihn.
Aber der General hat doch gesagt …
Ein fanatischer Thunyeri mit drei Schrumpfköpfen der Sranc am Gürtel packte ihn an der Kehle. Einen Moment lang sah er kaum menschlich aus – so groß und dünn war er.
»Reära thuningpraussah«, rief der Barbar und schwang ihn durch die Luft. Fustaras sah
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