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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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hielt. Und als er sie innerlich wog, wusste er nicht recht, was schwerer war.
    Aus Sicht der Männer am Tisch war es nicht anders.
    Der Heilige Krieg litt, und jemand musste sterben. Auch wenn sein Tod die Welt untergehen lassen würde.
     
     
    Sie waren nur eins von vielen miteinander streitenden Grüppchen auf dem Kaiaul, freilich – wie Cnaiür wusste – das maßgebliche Grüppchen. Viele Tempelritter wuselten mit so ausdrucksloser wie vorsichtiger Miene und so besorgtem wie konzentriertem Blick in ihrer Nähe herum.
    Gleich würde etwas geschehen.
    »Aber er muss sterben, Hochmeister!«, rief Sarcellus. »Tötet ihn und rettet den Heiligen Krieg!«
    Gotian warf Cnaiür einen nervösen Blick zu, sah dann wieder den Kommandierenden General seiner Tempelritter an und fuhr sich mit dicken Fingern durchs kurze, ergrauende Haar. Cnaiür hatte den Hochmeister stets für entschlussfreudig gehalten, doch nun wirkte er alt, unsicher und sogar seltsam eingeschüchtert vom Eifer seines Untergebenen. Alle Männer des Stoßzahns hatten gelitten – manche mehr, manche anders als andere. Gotian schien Narben an der Seele davongetragen zu haben.
    »Ich weiß deine Besorgnis zu schätzen, Sarcellus, aber es wurde vereinbart…«
    »Darum geht es mir ja gerade! Dieser Hexenmeister liefert den Hohen Herren Gründe, den Hochstapler zu schonen. Vor allem erzählt er an den Haaren herbeigezogene Geschichten von bösen Agenten, die nur der Hochstapler sehen könne!«
    »Was meinst du damit, dass nur er sie sehen kann?«, stieß Cnaiür hervor.
    Sarcellus drehte sich seltsam argwöhnisch zu ihm um, schien aber nicht im Geringsten besorgt.
    »Das behauptet der Hexenmeister«, meinte er höhnisch.
    »Mag sein«, entgegnete Cnaiür, »aber ich bin dir aus dem Ratssaal gefolgt. Der Mandati hat nur gesagt, unter uns gebe es Hautkundschafter – mehr nicht.«
    »Willst du damit andeuten«, fragte Gotian scharf, »dass mein General lügt?«
    »Nein«, meinte Cnaiür achselzuckend und spürte sich ganz ruhig werden. »Ich möchte nur wissen, woher er weiß, was er nicht gehört hat.«
    »Du bist ein Heide, Scylvendi«, rief Sarcellus. »Ein Heide! Du solltest mit den Kianene von Caraskand verrotten statt das Wort eines Tempelritters in Zweifel zu ziehen.«
    Mit brutalem Grinsen spuckte der Scylvendi Sarcellus zwischen die Stiefel. Hinter dem Tempelritter ragte der Umiaki auf, und Cnaiür sah Serwës gertenschlanken Leib, der kopfüber an den Dûnyain gebunden war, als seien zwei Tote zusammengenagelt.
    Die Menge ringsum schrie auf. Beunruhigt befahl Gotian seinem General und Cnaiür, die Hand vom Schwert zu nehmen, doch keiner von beiden reagierte darauf.
    Sarcellus sah Gotian kurz an, der aber die Menge musterte, und fasste dann wieder Cnaiür ins Auge. »Du weißt nicht, was du tust, Scylvendi.« Sein Gesicht zog sich zusammen und zuckte wie ein sterbendes Insekt. »Du weißt nicht, was du tust.«
    Cnaiür starrte ihn in blankem Entsetzen an und hörte im Gebrüll ringsum den Irrsinn von Anwurat.
    Eine Fleisch gewordene Lüge…
    Immer mehr Rufe erklangen, bis überall Geschrei und Geheul war. Cnaiür folgte Gotians Blick, drehte sich um und sah hinter einer Mauer von Tempelrittern einen Trupp gepanzerter Männer in blauen und scharlachroten Mänteln. Erst waren es nur wenige, die Trauben von Inrithi aus dem Weg räumten, dann Hunderte, die sich direkt vor Gotians Männern aufbauten. Bisher hatte niemand sein Schwert gezogen.
    Gotian hastete an den Reihen seiner Leute entlang, gab laut Befehle und forderte Verstärkung an.
    Schwungvoll zogen die Männer ihre Schwerter und ließen sie in der Sonne blitzen. Weitere Verbände der seltsamen Krieger tauchten auf und drängten sich in breiter Phalanx durch die ausgezehrten Inrithi. Es waren Javreh, wie Cnaiür begriff, die Kriegersklaven der Scharlachspitzen also. Was ging hier vor?
    Links von Cnaiür klangen und klapperten Schwerter. Gotians Geschrei drang durch den Lärm. Erstaunlicherweise brach die Verteidigungslinie der Tempelritter direkt vor Cnaiür und wurde von den Javreh, die mit ihren Breitschwertern herumfuchtelten, zurückgedrängt.
    Cnaiür und Sarcellus waren so überrascht, dass sie ihr Schwert zogen, um sich gemeinsam gegen die Truppen der Scharlachspitzen zu verteidigen.
    Doch die Kriegersklaven blieben stehen und machten zwölf plötzlich auftauchenden, stark abgemagerten Sklaven Platz, die eine mit Seide und Gaze verhüllte Sänfte aus fein gearbeitetem, schwarz lackiertem

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