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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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würde zur Einbeziehung der Mandati und zum offenen Krieg mit den Rathgebern führen… Nein, das funktionierte nicht. Die Mandati konnten erst einbezogen werden, wenn sie beherrschbar waren. Ein Krieg gegen die Rathgeber war zu riskant. Noch.
    Die indirekte Auseinandersetzung hieß nächtliche Raubzüge, durchgeschnittene Kehlen, versuchte Vergeltungsschläge – ein Guerillakrieg also, der allmählich Gestalt annehmen würde… Nein, auch das funktionierte nicht. Würden Sarcellus und die anderen ermordet, wüssten die Rathgeber, dass jemand sie sehen konnte. Wenn sie die Einzelheiten der Entdeckung des Skeaös erführen (und vielleicht kannten sie sie schon!), würden sie erkennen, dass Kellhus dahintersteckte. Und wenn sie das herausfänden, würde aus der indirekten Auseinandersetzung ein offener Krieg werden.
    Schließlich blieb ihm noch Tatenlosigkeit. Das bedeutete, seine Feinde zu studieren und zu beurteilen, hier und da folgenlose Experimente zu wagen und sich ständig über alles Mögliche den Kopf zu zerbrechen. Immer wieder würde dabei die Notwendigkeit, zu zweifelsfreien Ergebnissen zu kommen, jedes vorschnelle Urteil kassieren. Zugleich aber würden Sorge und Unruhe steigen, da die Macht der Rathgeber immer weiter zunähme… Ja, das funktionierte! Selbst wenn die Rathgeber Einzelheiten über die Entlarvung des Skeaös erführen, blieben ihnen nur Vermutungen. Wenn Achamian Recht hatte, waren sie nicht so primitiv, potentielle Bedrohungen auszulöschen, ohne sie vorher zu verstehen. Die Konfrontation war unausweichlich. Das Ergebnis hing allein davon ab, wie viel Zeit er hatte, sich vorzubereiten.
    Er war einer der Erwählten, ein Dûnyain. Die Umstände würden es erweisen. Die Mission musste…
    »Kellhus«, sagte Serwë. »Der Prinz hat Euch etwas gefragt.«
    Kellhus blinzelte und tat, als lächelte er über seine Dummheit. Alle am Feuer sahen ihn an, manche besorgt, andere verblüfft.
    »Tut mir leid«, stammelte er. »Ich…« Er schaute nervös von Betrachter zu Betrachter und atmete wie jemand aus, der sich mit seinen Schrullen abgefunden hat – egal, wie peinlich sie sind. »Manchmal… manchmal sehe ich Dinge…«
    Schweigen.
    »Ich auch«, sagte Sarcellus mit schneidendem Hohn. »Für gewöhnlich hab ich dabei die Augen aber offen.«
    Hatte er die Augen geschlossen gehabt? Er konnte sich nicht daran erinnern. Wenn ja, wäre das ein beunruhigender Fehler. Seit wann war ihm das nicht mehr passiert? Seit…
    »Dummkopf«, stieß Saubon hervor und wandte sich an Sarcellus. »Wir sitzen hier an seinem Feuer, und du beleidigst ihn?«
    »Der Kommandierende General der Tempelritter hat mich nicht beleidigt«, sagte Kellhus. »Ihr vergesst, Prinz, dass er Priester und Krieger zugleich ist, und wir haben ihn aufgefordert, sich zu einem Hexenmeister ans Feuer zu setzen… Genauso gut könnte man eine Hebamme bitten, ihr Brot mit einem Leprakranken zu teilen.« Auf diese Bemerkung folgte nervöses Gelächter – sehr laut und sehr kurz. »Zweifellos«, setzte Kellhus hinzu, »ist er einfach nur verstimmt.«
    »Zweifellos«, wiederholte Sarcellus, und sein spöttisches Lächeln war so ungreifbar wie all seine Mienen.
    Was will dieses Wesen bloß?
    »Was uns zu der Frage bringt«, fuhr Kellhus fort und schaffte damit mühelos jene »zufällige Wendung«, auf die Prinz Saubon bisher vergeblich gelauert hatte, »was einen Tempelritter ans Feuer eines Hexenmeisters führen mag.«
    »Gotian hat mich gesandt«, sagte Sarcellus, »mein Hochmeister…« Er warf Saubon einen raschen Blick zu. »Die Tempelritter haben sich geschworen, unter den Ersten zu sein, die den Fuß ins Land der Heiden setzen, und Prinz Saubon schlägt vor…«
    Doch Saubon unterbrach ihn und erklärte: »Darüber möchte ich mit Euch unter vier Augen sprechen, Prinz Kellhus.«
     
     
    Was würdest du an meiner Stelle tun, Vater?
    So viele Möglichkeiten. Unermessliche Möglichkeiten.
    Kellhus folgte Saubon durch das dunkle Eisenbaumwäldchen. Sie hielten am Rand der Klippe und sahen auf die mondbeschienenen Wälder des Hochlands von Inunara. Jetzt, da sie nicht mehr im Schutz des rauschenden Waldes waren, wurden sie kräftig durchgeweht. Der Steilhang unter ihnen lag voll umgestürzter Bäume. Abgestorbenes Wurzelwerk ragte zum Himmel. An den Wurzeln einiger Stämme hing noch ein großer Ballen Erde und schien wie eine staubige Faust gegen die überlebenden Bäume gerichtet.
    »Ihr habt tatsächlich Visionen, nicht?«, fragte Saubon

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