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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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hatte.
    Niemand kennt dich. Niemand.
    Er sah Gotian und Sarcellus nach, die den Hang hinunterstapften. Der Gedanke, sie zu opfern – wie Prinz Kellhus oder die Götter es verlangt hatten –, legte sich ihm plötzlich schwer auf die Seele.
    Bestraf sie. Du musst dafür sorgen, dass die Tempelritter bestraft werden.
    Etwas schnürte ihm die Kehle zu. So rasch Gilgaöl von ihm Besitz ergriffen hatte, so rasch verließ der Kriegsgott ihn jetzt wieder.
    »Stimmt was nicht?«, fragte Kussalt. Es war unheimlich, wie rasch er die Stimmungen seines Herrn erkannte. Aber schließlich war er ständig um ihn herum gewesen. Saubons früheste Erinnerung war, dass Kussalt ihn in die Arme genommen hatte und mit ihm auf die Emporen von Moraör gerannt war, als ihn ein Bienenstich beinahe hätte ersticken lassen.
    Ohne es zu merken, hatte Saubon wieder begonnen, an den Fingerknöcheln zu kauen.
    »Kussalt?«
    »Ja?«
    Saubon zögerte und blickte nach Süden, Richtung Schlachtfeld. »Ich brauche ein Exemplar des Traktats. Ich muss darin etwas suchen.«
    »Was wollt Ihr denn wissen?«, fragte der alte Berater erschrocken und doch seltsam zärtlich.
    Saubon sah ihn wütend an. »Was geht dich…«
    »Ich frage nur, weil ich den Traktat stets bei mir trage«, sagte er und tippte sich an die Stirn. »Er ist hier drin.«
    Er hat ihn auswendig gelernt, begriff Saubon und war so schockiert, dass er fast ohnmächtig wurde. Zwar hatte er immer gewusst, dass Kussalt fromm war, aber…
    »Kussalt…«, begann er, wusste aber nichts zu sagen.
    Die alten, unerbittlichen Augen blinzelten. Mehr nicht.
    »Ich muss wissen«, wagte Saubon endlich zu sagen, »was der Letzte Prophet über… Opfer lehrt.«
    Die buschigen weißen Brauen des Beraters rückten zusammen. »Vieles. Sehr vieles. Aber ich verstehe nicht…«
    »Die Forderungen der Götter – sind sie dadurch gerechtfertigt, dass die Götter es sind, die sie fordern?«
    »Nein«, sagte Kussalt und runzelte noch immer die Stirn.
    Saubon war über die gedankenlose Gewissheit dieser Antwort verärgert. Was wusste der alte Narr schon?
    »Ihr glaubt mir nicht«, sagte Kussalt matt. »Aber es ist der Ruhm von Inri Se…«
    »Schluss mit dem Geplapper!«, stieß Coithus Saubon hervor. Er warf einen kurzen Blick auf den abgetrennten Kopf und sah einen goldenen Schneidezahn zwischen den schlaffen, übel zugerichteten Lippen glänzen. Das also war ihr Feind… Er zog sein Schwert und schlug den Kopf von der Lanze und damit die Lanze aus Kussalts Faust.
    »Ich glaube, was ich glauben muss«, sagte er heiser.

6.Kapitel
     
    DIE EBENEN VON MENGEDDA
     
     
     
    Ein Hexenmeister zählt, wie die Alten sagen, in der Schlacht so viel wie tausend Krieger und in der Hölle so viel wie zehntausend Sünder.
     
    Drusas Achamian: Handbuch des Ersten Heiligen Kriegs
     
     
    Wenn Schilde zu Krücken werden und Schwerter zu Stöcken, geht manches Herz zu Schanden.
    Wenn Frauen zu Beute werden und Feinde zu Lehnsmännern, kommt alle Hoffnung abhanden.
     
    Anonymus: Klagelied für die Besiegten
     
     
     
    NAHE DEN EBENEN VON MENGEDDA,
    FRÜHSOMMER 4111
     
    Es tagte. Die Hörner der Galeoth und Tydonni tönten durch die klare Luft und klangen in hohen Lagen wie Frauengekreisch.
    Das Signal zur Schlacht.
    Trotz tausender Reiter der Fanim und dutzender Scharmützel hatten sich die Heere der Galeoth, Tydonni und Thunyeri am Vortag in den Hügeln nördlich des Schlachtfelds wiedervereint. Nach ihrer Versöhnung verständigten sich Coithus Saubon und Hoga Gothyelk darauf, noch am gleichen Abend den Nordrand der Ebenen zu besetzen, um sich dadurch – wie sie hofften – einen möglichst großen Vorteil zu verschaffen. Besser als dort, so fanden sie, könnten sie nicht stehen. Nach Nordosten war ihre Flanke durch Salzsümpfe geschützt, während sie sich im Westen auf die Hügel verlassen konnten. Eine Senke, durch die ein Bach floss, der die Sümpfe speiste, zog sich kurvenreich von einer Flanke zur anderen. Oberhalb der Senke wollten sie die Schlachtreihe aufstellen. Der Hang war zwar nicht steil genug, um einen Angriff abzufangen, doch die Heiden waren gezwungen, sich zunächst durch den Dreck zu kämpfen.
    Sie hatten Ostwind, und die Männer schworen, das Meer riechen zu können. Einige wenige machten sich Gedanken über den Boden unter ihren Füßen. Sie fragten ihre Kameraden, ob sie auch unruhig geschlafen oder ein leises Geräusch vernommen hätten, das wie das Vergehen von Gischt am Strand klang.
    Die Grafen des

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