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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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der Sapatishah wolle unseren Vormarsch mit seinen Vorposten verzögern, damit wir das Schlachtfeld erst erreichen, wenn Skauras all seine Vorbereitungen getroffen hat.« Doch Gotian war anderer Ansicht und meinte immer wieder, Skauras habe seine Vorbereitungen längst getroffen und versuche in Wirklichkeit, sie zu ködern. »Er weiß, dass Eure Leute voreilig sind und die Aussicht auf eine Schlacht sie angelaufen kommen lässt.« Als Anfirig und die Übrigen protestierten, kreischte der Hochmeister ein ums andere Mal: »Begreift ihr denn nicht? Begreift ihr denn wirklich nicht?«, bis alle, auch Saubon, verstummten.
    »Er will euch möglichst bald auf für ihn vorteilhaftem Gelände angreifen. Möglichst bald!«
    »Ach ja?«, fragte Anfirig verächtlich. Ob direkt oder indirekt – Gotian hielt ihnen ständig Vorträge über die Gerissenheit und Brutalität der Fanim. Darum dachten viele Galeoth, er fürchte die Heiden und sei ein Feigling, obwohl er in Wirklichkeit – wie Saubon wusste – den Leichtsinn der verbündeten Norsirai fürchtete.
    »Vielleicht weiß er ja etwas, das wir nicht wissen! Etwas, das ihn zwingt, uns rasch anzugreifen!«
    Diese Worte verschlugen Saubon den Atem. »Falls Gedea wirklich so zerklüftet ist«, sagte er wie betäubt, »dann ist das Schlachtfeld der schnellste Weg, es zu durchqueren.« Er sah zu Gotian hinüber, der vorsichtig nickte.
    »Was hat das…«, begann Anfirig.
    »Denk doch mal nach, Anfi!«, rief Saubon. »Welchen Weg würde Gothyelk nehmen, wenn er Gedea schnellstmöglich durchqueren wollte?«
    Der Graf von Gesindal war kein Dummkopf, doch ein Wunderkind war er auch nicht. Er dachte scharf nach, senkte dabei die ergrauende Löwenmähne und sagte dann: »Ihr meint also, er ist in der Nähe, und die Tydonni und Thunyeri sind die ganze Zeit parallel zu uns aufs Schlachtfeld zumarschiert…« Als er aufsah, lag in seinen Augen widerwillige Bewunderung. Als enger Freund seines ältesten Bruders hatte Anfirig, wie Saubon wusste, immer auf ihn heruntergeschaut und ihn stets nur als den Jungen gesehen, den er früher immer aufs Neue an der Nase herumgeführt hatte.
    »Ihr meint also, der Sapatishah will uns am Zusammenschluss mit Gothyelk hindern!«
    »Genau«, gab Saubon zurück, blickte erneut zu Gotian und begriff, dass der Hochmeister ihm zu dieser Einsicht verholfen hatte. Er will, dass ich die Führung übernehme, dachte er. Er vertraut mir also. Aber dann kennt er mich schlecht. Niemand kennt mich. Niemand!
    Was sind denn das für Gedanken?
    Von den Ainoni abgesehen, stellten die Tydonni das größte Kontingent des Heiligen Kriegs, etwa siebzigtausend abgebrühte Kämpfer. Mit Skaiyelts mörderischen Zwanzigtausend war das fast die gesamte Streitmacht des Mittleren Nordens und die größte Armee der Norsirai, seit der Alte Norden untergegangen war.
    Ach Skauras, mein heidnischer Freund…
    Plötzlich erschien ihm der Kopf auf der Lanze nicht länger als ein Omen der Verdammnis, sondern als ein Zeichen – wie Rauch, der auf ein reinigendes Feuer verwies. Mit unerklärlicher Gewissheit erkannte Saubon, dass Skauras Angst hatte.
    Und die sollte er ja wohl auch haben.
    Seine Fehlannahmen fielen von ihm ab, und das alte Hochgefühl zirkulierte wie Schnaps in seinen Adern. Saubon schrieb es seit jeher dem einäugigen Kriegsgott Gilgaöl zu.
    Das Schicksal meint es gut mit Euch.
    Saubon warf Kussalt die Lanze mitsamt der grausigen Trophäe wieder zu und erteilte dann lauthals Befehle. Er entsandte mehrere Kuriere, um Athjeäri und Wanhail über die Lage zu informieren, beauftragte Anfirig damit, Gothyelk aufzuspüren, und wies Gotian an, seine Ritter zum gesamten Heer zu schicken und eindringlich Zurückhaltung und Disziplin anzumahnen.
    »Bis wir uns wieder mit Gothyelks Heer vereinigen, bleiben wir in den Hügeln«, verfügte er. »Wenn Skauras uns angreifen will, soll er entweder zu Fuß kämpfen oder tausend Pferde zu Schanden reiten!«
    Plötzlich war er mit Kussalt allein. Seine Ohren klangen, und sein Gesicht war knallrot.
    Es geschieht, begriff er. Es fängt tatsächlich an. Nach Jahr und Tag war der feige Krieg der Worte endlich vorbei, und der wirkliche Krieg begann. Leute wie Proyas hatten das Heilige des Heiligen Kriegs aus den Fängen des Kaisers befreien wollen. Nicht so Saubon. Er war nicht so sehr am Heiligen, er war vor allem am Krieg interessiert. Das jedenfalls sagte er sich.
    Und es geschah nicht einfach – es geschah genau so, wie Prinz Kellhus prophezeit

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