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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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Mittleren Nordens versammelten die Mitglieder ihrer Adelshäuser und ihre Lehnsmänner, die wiederum ihre Hintersassen antreten ließen. Haushofmeister gaben brüllend über den Lärm hinweg Befehle. Überall waren Jubelrufe und raues Gelächter zu hören sowie das dröhnende Hufgetrappel von Scharen junger Ritter, die – schon berauscht – nach Süden sprengten, um unter den Ersten zu sein, die die Heiden zu Gesicht bekämen. Tausende liefen auf dem flachgedrückten und zertrampelten Gras hin und her und waren emsig damit beschäftigt, sich gefechtsbereit zu machen. Ehefrauen und Konkubinen umschlangen ihre Männer. Tempelpriester führten Massen von Kriegern und Gefolge durchs Gebet. Tausende knieten auf dem Rasen, murmelten laut, was sie von den Schriftrollen ihrer Ahnen ablasen, und küssten die morgenkühle Erde. Kultpriester stimmten alte Riten an und salbten Götzenbilder mit Blut und kostbaren Ölen. Habichte wurden Gilgaöl geopfert, Antilopenschenkel in Feuer geworfen, die dem Gott Husyelt, dem Dunklen Jäger, geweiht waren.
    Auguren warfen Knochen. Wundärzte desinfizierten Messer überm Feuer und bereiteten ihr Verbandszeug vor.
    Die Sonne stieg strahlend über den Horizont und tauchte das Durcheinander in goldenes Licht. Standarten wehten lustlos im Wind. Fußsoldaten sammelten sich in verschieden großen Haufen und bezogen ihren Platz in der Schlachtreihe. Berittene Truppen stellten sich zwischen ihnen auf. Ihre Waffen blitzten, und auf ihren Schilden leuchteten bedrohliche Totems und Bilder des Stoßzahns.
    Plötzlich ertönten Rufe unter denen, die sich schon entlang der Senke versammelt hatten. Der ganze Horizont schien sich zu bewegen und funkelte wie mit Silberspänen bestäubt. Die Heiden. Die Granden der Kianene aus Gedea und Shigek.
    Mit Flüchen und donnernden Befehlen brachten die Grafen und Lehnsleute des Mittleren Nordens ihre Männer dazu, sich direkt am Hang der Senke zu postieren. Das Tal des Bachs hatte sich bereits in ein schwarzes, schlammiges Becken voll tiefer Hufabdrücke verwandelt. Am Südrand der Senke – vor den Reihen der Fußsoldaten also – sammelten sich die Ritter der Inrithi zu großen Haufen. Schreie des Entsetzens erhoben sich, als die vorderen Reiter im Gras Knochen entdeckten, die in verrottetem Leder und Leinen steckten: die Reste eines früheren Heiligen Kriegs.
    Vielerlei Hymnen wurden angestimmt, vor allem von einfachen Fußsoldaten, doch die Sänger gerieten bald ins Stocken und schlossen sich einem kehligen Lobgesang an. Bald dröhnte die Luft im Chor von Tausenden. Die Hornisten begleiteten die Refrains mit ihren volltönenden Instrumenten. Selbst die Adligen stimmten mit ein, während sie sich zu eisernen Formationen ordneten:
     
    Zum Kriegführen sind wir gekommen,
    Und ein Gemetzel werden wir anrichten.
    Und am Abend werden die Götter
    Aus unseren Augen schauen!
     
    Dieses Lied war so alt wie der Alte Norden und stammte aus den Sagas. Als die Inrithi es erneut anstimmten, spürten sie, wie der Ruhm der Vergangenheit auf sie überging und sie stärkte. Tausend Stimmen und ein uraltes Lied. Noch nie hatten sie sich so verwurzelt, so sicher gefühlt. Die Worte trafen viele wie eine Erleuchtung. Tränen flossen über sonnenverbrannte Wangen. Leidenschaft flammte auf und rauschte durch die Reihen, bis Männer unverständliche Worte brüllten und das Schwert gen Himmel schwangen. Sie waren zu Tausenden, und sie waren eins.
     
    Und am Abend werden die Götter
    Aus unseren Augen schauen!
     
    Mit der Morgenröte als Schutzschild ritten die Kianene los, um sie anzugreifen. Während die Norsirai unter einem wolkigen Himmel und in düsteren Wäldern aufgewachsen waren, waren die Kianene die gleißende Sonne von Geburt an gewohnt, und der grelle Morgen schien ihnen Ruhm zu verheißen. Sonnenlicht blitzte von ihren silbernen Helmen. Die Seidenärmel ihrer Khalats schimmerten und ließen ihre Reihen zu einem vielfarbigen Horizont werden. Hinter ihnen dröhnten Trommeln.
    Und die Inrithi sangen:
     
    Und am Abend werden die Götter
    Aus unseren Augen schauen!
     
    Saubon, Gothyelk und die übrigen Hochadligen berieten sich ein letztes Mal, ehe sie sich über die Schlachtreihe verteilten. Trotz aller Anstrengungen blieb sie ungleichmäßig und war manchmal furchtbar dünn, dann wieder unsinnig tief gestaffelt. Zwischen den Lehnsmännern verschiedener Herren brachen Streitereien aus. Ein Mann namens Trondha aus dem Gefolge des Anfirig musste zu Boden gerungen werden,

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