Der Prinz von Atrithau
hatten. Viele andere hingegen – Üsgalder, Agmundrmänner und Gaenri, Numaineiri und Plaidolmänner – flohen, ohne auf die Befehle ihrer Vorgesetzten zu hören. Das Zentrum der Inrithi wankte und begann, sich aufzulösen. Die Schlacht war zu einem Massaker geworden.
Mitten im Tumult ritten Kronprinz Fanayal und seine Coyauri aus der Senke, und die Tempelritter folgten ihnen durch Staub und Rauch – so jedenfalls erschien es allen, die die Szene mitbekamen. Zuerst mochten die Fanim ihren Augen kaum trauen, so erstaunte sie die Tollkühnheit der Götzendiener. Doch als Fanayal abschwenkte, galoppierte Incheiri Gotian mit etwa viertausend Tempelrittern weiter geradeaus und schrie: »Gott will es!«
Sie verteilten sich auf dem Schlachtfeld, sprengten durchs Gras, beugten sich tief über den Rücken ihrer Pferde und schrien ihre Wut und ihren Trotz heraus. Dann griffen sie die vierzehn Cishaurim an, hielten direkt auf das blaue Licht zu, das von ihren Brauen blitzte, und verbrannten wie Motten, die sich auf glühende Kohlen stürzen.
Blaue Blitze breiteten sich fächerförmig aus, glitzerten überweltlich schön und ließen die Angreifer zu Asche werden. Inmitten von Schreien, Jammern, donnernden Hufen und Männern, die »Gott will es!« brüllten, wurde Gotian von seinem verkohlten Pferd geschleudert. Biaxi Scoulas, dem der Blitz die Beine geraubt hatte, kippte von seinem Schimmel und wurde von den Pferden derer, die ihm nachsprengten, totgetrampelt. Dann explodierte der Reiter, der direkt vor Cutias Sarcellus ritt, und sein Messer traf den Kommandierenden General der Tempelritter so unglücklich, dass es ihm die Luftröhre durchstach. Sarcellus stürzte vom Pferd und landete mit dem Gesicht voran auf dem Boden.
Hunderte fielen in den ersten dreißig Sekunden, Hunderte in der nächsten halben Minute. Überall blitzte es gleichzeitig, als wäre die Luft aus Glas und würde plötzlich tausend Risse bekommen. Und noch immer peitschten die Tempelritter ihre Pferde voran, setzten über die schwelenden Reste ihrer Ordensbrüder hinweg und rasten in ihr Verhängnis. Gestrüpp und Gras fingen Feuer. Öliger Rauch stieg zum Himmel und trieb auf die Cishaurim zu.
Dann rauschte ein einzelner Reiter auf einen der Hexenpriester zu und schlug ihm den Kopf ab. Als der Cishaurim, der seinem getöteten Ordensbruder am nächsten war, dem Angreifer die Augenhöhlen zuwandte, ging nur das Pferd des jungen Mannes in Flammen auf. Der Ritter stolperte zu Boden und lief mit schrillen Schreien weiter. Das Chorum seines toten Vaters hatte er sich in die Handfläche gebunden.
Da erst ging den Cishaurim ihre Überheblichkeit auf, und sie zögerten kurz.
Diese wenigen Sekunden der Unentschlossenheit genügten, um eine Woge blutender, von Brandwunden gezeichneter Ritter aus dem dichten Rauch brechen zu lassen – unter ihnen auch Hochmeister Gotian, der die heilige Standarte des Ordens dabeihatte: den goldenen Stoßzahn auf weißem Grund. Bei dieser letzten Attacke starben erneut hunderte von Tempelrittern. Einige aber kamen durch, obwohl die Cishaurim verzweifelt versuchten, all die niederzumachen, die ein Chorum trugen. Doch es war zu spät: Die tobenden Ritter hatten sie erreicht. Ein Cishaurim versuchte, durch den Himmel zu fliehen, wurde aber von einem Armbrustbolzen, an den ein Chorum gebunden war, aus der Luft geholt. Die anderen wurden an Ort und Stelle niedergemetzelt.
Sie waren Cishaurim, die Wasserträger Indaras, und ihr Tod war kostbarer als der Tod Tausender.
Einen Moment lang war alles still. Dann drehten die wenigen hundert Tempelritter, die überlebt hatten, um und humpelten zu den übel zugerichteten Reihen ihrer Waffenbrüder zurück. Incheiri Gotian gehörte zu den Letzten, die sich in Sicherheit brachten. Auf den Schultern trug er einen jungen Mann, der starke Verbrennungen aufwies.
Skauras wusste, dass die Cishaurim – mochten sie nun auch tot sein – ihre Aufgabe erfüllt hatten. Darum brüllte er seine Granden an, den Angriff fortzusetzen, doch der Schock über das, was sie hatten mit ansehen müssen, lähmte sie. Die Fanim zogen sich ungeordnet zurück, während sich die Grafen und Lehnsmänner des Mittleren Nordens jenseits einer großen versengten Fläche, auf der nichts als rauchende Reste von Leichen und Kadavern lagen, verzweifelt bemühten, das Zentrum der Hauptgefechtslinie wiederherzustellen. Als die Granden von Shigek und Gedea einen neuen Angriff ritten, waren die Fußsoldaten der Inrithi wieder auf
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