Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
Vom Netzwerk:
Legenden.«
    »Daran habe ich keinen Zweifel. Wisst Ihr, was Topoi sind?«
    Saubon zog eine Grimasse. »Nein.«
    Die hübsche Frau neben Achamian gähnte und rieb sich die Augen. Unvermittelt schlug eine Welle von Müdigkeit über dem Prinzen von Galeoth zusammen, und er schwankte im Sattel.
    »Ihr wisst bestimmt, wie es ist, von erhöhten Punkten – von Türmen oder Berggipfeln etwa – in die Ferne zu sehen«, begann der Hexenmeister.
    »Ich bin kein Dummkopf – also behandle mich nicht, als wäre ich einer.«
    Achamian lächelte schmerzlich. »Topoi sind wie Anhöhen, also wie Orte, von denen man weit sehen kann. Doch während normale Anhöhen aus Stein und Erde bestehen, sind Topoi aus Traumata und Leiden errichtet und lassen uns über diese Welt hinaussehen – ins Jenseits, wie einige sagen. Darum beunruhigt Euch diese Gegend so. Hier steht Ihr gefährlich hoch. Was Ihr auf diesem Schlachtfeld spürt, ist eine Art Schwindel.«
    Saubon nickte und merkte, dass seine Kehle sich zuschnürte. Er begriff, und ohne ersichtlichen Grund erleichterte ihn dieses Begreifen immens. Er schluchzte zweimal heftig auf. »Das ist nur die Erschöpfung«, krächzte er und rieb sich verärgert die Augen.
    Der Hexenmeister musterte ihn nun nicht mehr so vorwurfsvoll, sondern eher bedauernd. Die Frau schaute auf ihre Füße.
    Unfähig, sein Gegenüber anzusehen, nickte Saubon ihm vage zu und wollte davonreiten. Die Stimme des Hexenmeisters aber ließ ihn innehalten.
    »Selbst unter den Topoi«, rief er, »ist dieser Ort etwas Besonderes.« Er klang nun anders, widerwillig vielleicht, und dieser Widerwille erwischte Saubon wie eine Winterböe auf schweißnasser Haut.
    »Inwiefern?«, brachte er hervor und sah dabei in die dunkle Nacht.
    »Erinnert Ihr Euch an den Vers aus den Sagas, in dem es heißt: ›Em yutiri Tir mauna, kirn raussa raim‹?«
    Saubon blinzelte ein paar Tränen aus den Augen, sagte aber nichts.
    ›»Die Seele, die Ihm begegnet‹«, fuhr der Ordensmann fort, ›»geht keinen Schritt weiter‹.«
    »Und was, verdammt noch mal«, polterte der Prinz von Galeoth los und war über die Brutalität seiner Stimme schockiert, »was hat das zu bedeuten?«
    Der Hexenmeister sah über die dunklen Ebenen. »Es bedeutet, dass Er irgendwo dort draußen ist… Mog-Pharau.« Als er sich zu Saubon umdrehte, stand ihm echte Angst in den Augen.
    »Die Toten entkommen diesem Schlachtfeld nicht, mein Prinz. Dieser Ort ist verflucht. Der Nicht-Gott ist hier gestorben.«

7. Kapitel
     
    MENGEDDA
     
     
     
    Echter Tief schlaf ist von Wachsamkeit nicht zu unterscheiden.
     
    Sorainas: Das Buch der Kreise und Spiralen
     
     
     
    AUF DEN EBENEN VON MENGEDDA,
    FRÜHSOMMER 4111
     
    Auf seinen breiten schwarzen Flügeln glitt das Mischwesen im Morgenwind dahin und genoss die seltsame Vertrautheit all dessen, was es sah. Im Osten wurde es immer heller, bis die Sonne plötzlich am Horizont erschien und ihre Strahlen wie Lanzen zwischen den Hügeln hindurch über das mit Leichen übersäte Schlachtfeld und weiter in die unendliche Schwärze schickte – vielleicht bis zum Ausgangspunkt allen Seins.
    Wer könnte das Mischwesen für seine Nostalgie tadeln, da es doch nach Jahrtausenden wieder dort war, wo es beinahe geschehen wäre, wo also das Licht der Menschen und Nicht-Menschen beinahe für immer erloschen wäre. Leider nur beinahe!
    Aber bald – bald war es endlich soweit!
    Das Mischwesen senkte den kleinen Menschenkopf, prüfte, welche Muster die Toten auf dem Schlachtfeld bildeten, und staunte über deren Ähnlichkeit mit gewissen Phänomenen, die seine Spezies vor langer Zeit sehr geschätzt hatte.
    Inchoroi hatte das Pack diese Phänomene genannt.
    Einige Zeit staunte das Mischwesen darüber, welche Raumtiefe die Geier vermittelten, die zu Tausenden gemächlich am Himmel kreisten und sich langsam zum Festschmaus niederließen. Dann witterte es, wonach es gesucht hatte – einen ganz bestimmten Geruch, der nur für einen Fall vorgesehen war.
    Sarcellus war also tot. Bedauerlich.
    Wenigstens hatte sich der Heilige Krieg durchgesetzt – sogar gegen die Cishaurim!
    Golgotterath würde das gutheißen.
    Lächelnd oder auch stirnrunzelnd nahm der Alte Name Kurs auf das Ziel, das auch die Geier ansteuerten.
     
     
    In der Ferne wanden sich madenweiße Gestalten in Menschenhaut, bei denen es sich um viele tausend schreiende Sranc handelte, die sich schwarzes Blut von der Haut kratzten und sich die Augen ausstachen. Ein Wirbelsturm zog

Weitere Kostenlose Bücher