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Der Prinz von Atrithau

Der Prinz von Atrithau

Titel: Der Prinz von Atrithau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. Scott Bakker
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schreien.
    Vergeblich.
    Da vernahm er den Donner schwerer Hufe und Schreie in vertrauter Sprache. Saubon ließ die kalten Finger los und kämpfte sich auf alle viere. Besorgte Stimmen waren zu hören. Arme, die aus dem Nichts gekommen schienen, zogen ihn auf die Beine. Er starrte wie betäubt aufs Gras, dorthin, wo eben noch sein Leichnam gelegen hatte.
    Dieser Boden… Dieser Boden ist verflucht!
    »Hier, nehmt meinen Arm.« Die Stimme klang väterlich und wie an einen Sohn gerichtet, dem eben eine ernste Lektion erteilt worden war. »Ihr seid gerettet, mein Prinz.« Es war Kussalt.
    Gerettet?
    »Seid Ihr noch ganz?«
    Saubon war außer Atem, spuckte Blut und keuchte: »Ich hab nur ein paar Schrammen abbekommen…«
    Nur ein paar Meter entfernt hackten Tempelritter und Coyauri aufeinander ein. Klirrende Schwerter tanzten blitzend vor Sonne und Himmel. Wie schön das war! Und so weit weg wie ein in Leinen gewobenes dramatisches Panorama.
    Saubon drehte sich wortlos zu seinem Berater um. Der alte Krieger sah verhärmt und erschöpft aus.
    »Ihr habt den Vorstoß der Heiden zum Stillstand gebracht«, sagte Kussalt mit verwundertem, womöglich gar stolzem Blick.
    Saubon blinzelte, weil ihm Blut ins linke Auge rann. Unerklärliche Grausamkeit überkam ihn. »Du bist alt und langsam… Gib mir dein Pferd!«
    Kussalts Miene verfinsterte sich, und seine Lippen wurden schmal.
    »Das ist nicht der Ort für Empfindlichkeiten, du alter Narr. Jetzt gib mir dein verdammtes Pferd!«
    Kussalt zuckte auf, als wäre etwas in ihm geplatzt. Dann sackte er vornüber gegen Saubon, der das Gleichgewicht verlor und mit seinem Berater zu Boden stürzte.
    »Kussalt!«
    Er zog den Alten auf seine Schenkel. Ein Pfeil ragte ihm aus dem Kreuz.
    Der Berater röchelte und spuckte dunkles Blut. Er sah erst wild umher, blickte dann aber Saubon in die Augen, lachte und hustete noch mehr Blut. Saubon bekam vor Angst eine Gänsehaut. Wie oft hatte er Kussalt lachen hören? Drei, vier Mal im Laufe seines Lebens?
    Nein, nein, nein, nein…
    »Kussalt!«
    »Ich möchte, dass Ihr wisst…«, keuchte der Alte, »wie sehr ich Euch gehasst habe…«
    Ein kurzer Schüttelkrampf packte ihn. Dann spuckte er rotziges Blut, keuchte und lag schließlich reglos da.
    Reglos wie die Erde.
    Saubon musterte die merkwürdige Ruhe ringsum. Von überall blickten tote Augen aus dem zertrampelten Gras. Da begriff er. – Verflucht.
    Die Coyauri waren durch die Senke geflohen. Doch statt zu jubeln, schrien seine Männer. Lichter blitzten so grell auf, dass sie in der Mittagssonne Schatten warfen.
    Er hat mich nie gehasst …
    Wie hätte er das auch tun können? Kussalt war doch der Einzige, der…
    Guter Witz, alter Narr!
    Jemand stand schreiend neben ihm.
    War er je so müde gewesen?
    »Die Cishaurim!«, schrie dieser Jemand. »Die Cishaurim!«
    Diese Lichter!
    Es tat einen gewaltigen Schlag. Wo war sein Helm geblieben?
    »Saubon! Saubon!«, schrie Incheiri Gotian. »Die Cishaurim!«
    Der Prinz fuhr sich über die Wange und stellte fest, dass sie blutig war.
    Verflixt.
    Sorg dafür, dass sie bestraft werden! Bestraf sie! Bestrafe!
    »Greift sie an«, sagte Saubon sanft und schloss seinen toten Berater in die Arme. So ein Witzbold, dachte er.
    »Ihr müsst die Cishaurim angreifen.«
     
     
    Die Cishaurim zogen sich zurück, um den mit Chorae bewaffneten Armbrustschützen zu entgehen, die die Inrithi – wie sie wussten – hinter ihren Linien verbargen. Jetzt, da die Scharlachspitzen sich zum Krieg rüsteten, durfte nicht einer von ihnen geopfert werden, egal wofür. Sie waren Cishaurim, die Wasserträger Indaras, und ihr Leben war kostbarer als das Leben Tausender. Sie waren Oasen in der Menschenwüste.
    Zu vierzehnt schritten sie auf die Hauptgefechtslinie zu. Ihre Schleppen glitten durchs Gras, und ihre gelben Seidensoutanen flatterten im Wind. Fünf Schlangen lagen jedem von ihnen um den Hals, hatten sich auf den Schultern der Hexenpriester so aufgerichtet, dass sie an die Arme eines Kerzenleuchters erinnerten, und blickten suchend in alle Richtungen. Die verzweifelten Männer des Nordens feuerten Salven von Pfeilen auf sie ab, die aber in der Luft verglühten. Die Cishaurim schritten weiter, und ihre hohlen Augen glitten über die wimmelnden Linien der Inrithi. Wohin sie sich auch wandten, schlugen tödliche blaue Blitze zwischen den Kämpfern des Stoßzahns ein.
    Viele Männer des Nordens blieben an ihrem Ort und warfen sich flach unter ihre Schilde, wie sie es gelernt

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