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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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fahr nach Hause zu Conny.«
    Wallner hätte sich jetzt gerne in einer Rauchwolke aufgelöst.
    »Oh, Shit. Entschuldigen Sie. Das hatte ich völlig … okay, das war eine ziemlich bescheuerte Frage. Ist ja klar, dass Sie …«
    Als er sich wieder traute, in Melanies Richtung zu sehen, lächelte sie.
    »Kein Problem. Fragen Sie bei Gelegenheit einfach noch mal.«
    »Mach ich.«
    Sie drehte sich mit einem letzten Lächeln um und kümmerte sich wieder um ihren Ausschank. Wallner nahm einen Schluck von seinem Bier. Er sah Melanie beim Arbeiten zu, sah sie mit rotlackierten Nägeln an kräftigen, aber nicht dicken Fingern ein Pilsglas an den Zapfhahn führen und mit der anderen Hand den Hahn öffnen, um die schaumige Flüssigkeit ins Glas laufen zu lassen, alles ohne Hast und mit eleganter Selbstverständlichkeit, sah sie das Glas abstellen, die Hände mit den rotlackierten Nägeln schnell an einem Handtuch trocknen, sich mit roten Fingernägeln flüchtig durchs Haar fahren, so dass der Kaschmirpullover einen Augenblick lang ein wenig von der Haut ihrer Hüften freigab. Als sie sich zu ihm drehte, sah er weg. Er wollte nicht den Eindruck erwecken, er würde sie anstarren.
     
    Wallner hatte das Gefühl, dass ihn jemand beobachtete. Er versuchte das Gefühl zu ignorieren und trank einen Schluck Bier. Doch dann blickte er unwillkürlich nach rechts. Der Mann im Sakko sah ihn an und nickte ihm zu.
    »Alles klar?«, fragte Wallner.
    »Alles bestens. Bei Ihnen?«
    »Wunderbar.« Wallner steckte seine Nase ins Bierglas und sog den hopfigen Duft ein. Auch der Mann im Sakko sah jetzt wieder sein Weinglas an. So saßen sie eine Weile und sahen Gläser an. Melanie war mit anderen Aufgaben beschäftigt. Wallner studierte eingehend den Aufdruck des Bierdeckels.
    »Elende Geschichte, was?«, sagte neben ihm der Mann im Sakko. Wallner wurde aus seinen Gedanken gerissen und sah den Mann fragend an.
    »Mit dem toten Mädchen.«
    »Oh, das? Jaja.«
    »Entschuldigen Sie. Ich habe mitbekommen, dass Sie bei der Polizei arbeiten.«
    Wallner wollte nicht unhöflich sein und entschied, ein bisschen Konversation zu machen. Dann müsste er sich auch nicht ständig zwingen, nicht in Melanies Richtung zu glotzen.
    »Das Mädchen war sechzehn«, sagte Wallner und ließ die ganze Tragik dieser Bemerkung wirken. Der Mann im Sakko bewegte langsam und betroffen den Kopf auf und nieder.
    »Stellen Sie sich vor«, sagte der Mann im Sakko, »Ihr Kind wurde ermordet. Und Sie denken die ganze Zeit darüber nach, was mit ihm passiert ist. Was es erlitten hat. Welche Angst es hatte und wie es sich gewünscht hat, Sie wären da und würden es befreien. Und dann fangen Sie an, sich Vorwürfe zu machen.« Er machte eine Pause, um zu verdauen, was er selbst gesagt hatte. »Denken Sie an diese Dinge, wenn Sie … arbeiten?«
    »Ich versuche, nicht dran zu denken.« Wallner wischte mit Akribie den Rand seines Bierglases mit dem Daumen sauber. Er dachte ständig an diese Dinge. »In meinem Job muss man mehr daran denken, wie sich der Täter fühlt und welche Ängste er hat.«
    Der Mann im Sakko nickte.
    »Haben Sie Kinder?«, fragte Wallner.
    »Nein, aber ich kannte mal einen, der hatte seine Tochter verloren. Auch sehr tragisch.«
    »Ist immer tragisch. Ein Freund von Ihnen?«
    »Nein. Nein. Er war … schwer zu sagen. Er kam eines Tages zu mir, weil er nicht mehr weiterwusste. Er wollte reden.«
    »Sind Sie Therapeut oder so was?«
    »Pfarrer. Mein Name ist übrigens Körting.«
    »Wallner.« Sie gaben sich die Hand.
    Wallner musterte den Mann, der auf den ersten Blick nichts Pfarrerhaftes an sich hatte.
    »Katholisch?«
    »Evangelisch. Ich komme aus dem Ruhrgebiet.«
    Evangelische Pastoren waren für Wallner eigentlich keine richtigen Pfarrer. Die trugen Sakko und Jeans oder waren Frauen. Echte Pfarrer – das hatte sich in Wallners oberbayerischer Kindheit verfestigt – waren fremde Wesen in schwarzer Soutane, die seltsame Hüte aufhatten und Weihrauchfässer und Klobürsten mit Weihwasser schwenkten.
    »Warum kam der Mann zu Ihnen? Weil er jemanden zum Reden brauchte?«
    »Er wollte beichten.«
    »Gibt’s das bei den Protestanten?«
    »Im Prinzip ja. Aber nicht die Ohrenbeichte. Wir beichten so mehr innerlich. Im Zwiegespräch mit Gott.«
    »Und wer vergibt einem dann?«
    »Gott.«
    »Okay.« Wallner ließ das auf sich wirken. »Wie weiß ich, dass er mir vergeben hat?«
    Der Pfarrer zuckte mit den Schultern. »Wenn ich aufrichtig bereue, vergibt er

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