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Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
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der Nacht. Mehrere Krähen mussten dort oben sein. Die Vögel waren unruhig. Ein Nachzügler kam angeflogen, stieß einen einzelnen Krah-Laut aus und verschwand auf dem Hausdach, wo Wallner ihn nicht sehen konnte. Er ließ die Krähen ihren Geschäften nachgehen und ging ins Haus.
    Das Haus war klein und eng. Das betraf nicht nur die Türstöcke. Nach dem Krieg hatte man genügsam gebaut. Wallner ging in die Küche und holte sich ein Bier aus dem Kühlschrank. Er machte kein Licht und bemühte sich, leise zu sein, um Manfred nicht zu wecken. Wallner wollte alleine ein Bier trinken und über ein paar Dinge nachdenken. Vielleicht ein bisschen fernsehen. Was er nicht wollte, war, dass Manfred herunterkam, ihm im Bademantel Gesellschaft leistete und ein Gespräch anfing.
    Wallner machte den Kühlschrank zu. Es war wieder dunkel in der Küche. Er fingerte blind nach dem Flaschenöffner, der an der Seite des Kühlschranks hing, öffnete die Flasche und trat ans Fenster, durch das man in den Hof hinaussah. Er nahm einen Schluck Bier und blickte auf die nasse Welt dort draußen. Ein glänzender Wasserfilm lag über teils milchigem, teils schwarzem Eis. Wallner nahm sich vor, morgen früh als Erstes zu streuen. Gegenüber war ein kleiner Geräteschuppen. Vor dem Schuppen schmolzen die Reste einer Dachlawine zu Matsch. Wallner dachte an Melanie Polcke, an den engen schwarzen Wollpullover und wie sie »Fragen Sie bei Gelegenheit einfach noch mal« zu ihm gesagt hatte. Ein Auto fuhr vorbei. Das Scheinwerferlicht streifte den Geräteschuppen. Wallner sah im Scheinwerferlicht eine Aluminiumleiter aufblitzen, die ihm in der Dunkelheit nicht aufgefallen war. Die Leiter lehnte an der Schuppenwand, wo sie eigentlich nichts zu schaffen hatte. Sie gehörte in den Schuppen, wo Wallner eigens zwei Haken montiert hatte, um sie längs daran aufzuhängen. Der Wagen fuhr weiter, nahm sein Licht mit, und die Leiter versank wieder in der Finsternis. Das Motorengeräusch, vermischt mit dem Zischen der nassen Straße, verebbte langsam. Es wurde still. Nur die Krähen hörte Wallner. Sie waren immer noch unruhig. Ein mehrstimmiges Krahen setzte ein, aggressiv und böse. Irgendwo über Wallners Kopf zankten sich die Vögel. Einer kam vom Dach heruntergeflogen, tauchte bei seiner Flucht in den Hof ein und huschte am Küchenfenster vorbei, bevor er in die regnerische Finsternis hinaufstieg. Wallner war, als habe er etwas leuchten sehen in den Krallen des Vogels. Etwas Goldenes. Wallner beugte sich vor und sah dem Vogel durch das Küchenfenster nach. Die Krähe flog in diesem Augenblick über eine Straßenlaterne. Für einen Moment blitzte es wieder golden an ihren Krallen. Dann wurde der Vogel eins mit der Nacht.
     
    »Kannst ruhig Licht machen«, sagte Manfred in die dunkle Küche hinein. Wallner drehte sich vom Fenster weg und sah die schemenhafte Gestalt seines Großvaters in der Küchentür. Immerhin war zu erkennen, dass Manfred den weißen Bademantel anhatte, den er bei einem Paris-Wochenende aus dem Hotel geklaut hatte. Manfred war der Ansicht, dass Hotels einem ohnehin viel zu viel Geld aus der Tasche zogen, und betrachtete das Auslegen von Bademänteln in Hotelzimmern als eine Art Rabattangebot an den findigen Gast.
    »Brauch kein Licht«, sagte Wallner.
    Manfred schlurfte zum Kühlschrank und holte sich mit leicht zitternden Fingern ein Bier heraus. Einen Moment lang wurde Manfreds Gesicht vom Inneren des Kühlschranks erleuchtet. Wallner war in diesem Augenblick, als stünde da ein Kind. Nicht nur, dass sein Großvater mit dem Alter kleiner geworden war – und er war in jungen Jahren schon nicht groß. Hinzu kam, dass jede Aufgabe Manfreds ganze Konzentration erforderte, wie man es sonst nur bei Kindern sah. Manfred ließ die Kühlschranktür zufallen, und es wurde wieder dunkel in der Küche. Er tastete nach dem Öffner an der Kühlschrankseite. Als er ihn zu fassen bekam, versuchte er mehrfach vergeblich, den Kronkorken abzuheben. Wallner nahm ihm schließlich die Flasche aus der Hand und machte sie auf. Manfred hatte eine Flasche mit Bügelverschluss erwischt. Wallner gab sie seinem Großvater zurück.
    »Des war jetzt net eine mit Bügelverschluss, oder?«, sagte Manfred heiser lachend.
    »Schaut so aus.« Wallner hoffte, dass sich das Intermezzo mit Manfred nicht allzu lange hinziehen würde. »Die kann man wenigstens wieder zumachen.«
    »Was willst mir damit sagen?«
    »Vielleicht überlegst es dir noch mal mit dem Bier. Sonst

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