Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Prinzessinnenmörder

Der Prinzessinnenmörder

Titel: Der Prinzessinnenmörder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Föhr
Vom Netzwerk:
die um ein Vielfaches höher war, als sie von unten ausgesehen hatte. Peters Weg war hier zu Ende. Weiter hinauf konnte er nicht. Als ihm das klarwurde, spürte er, wie sich eine große Kälte in seinem Inneren ausbreitete. Einen Moment dachte er daran, jetzt, da das Wetter unverhofft besser geworden war, ins Tal zu steigen und Hilfe zu holen. Er mochte zwei oder drei Stunden verloren haben, seitdem er Lisa verlassen hatte. Vielleicht war das noch nicht zu viel. Vielleicht hielt Lisas unterkühlter Körper zwei, drei Stunden länger durch. Aber dann trieb ein Windstoß wieder den Geruch von Schnee herbei, und Peters Illusionen erstarben. Das Wetter war nicht besser geworden. Der Schneesturm hatte nur Atem geholt. Er würde in wenigen Minuten weitertoben und nicht zulassen, dass Peter jemals das Tal erreichte. Er selbst mochte diese Nacht erfrieren oder überleben – Lisa würde morgen tot sein. Peter blickte nach unten und überlegte, ob ein Sturz den Abhang hinunter sein Leiden beenden könnte. Da drang mit einem Mal Musik durch die Bergnacht. Ganz kurz, dann war da wieder nur der Wind. Peter lauschte in die Dunkelheit. Eine Minute blieb er reglos stehen. Abermals drehte der Wind, und es kam wieder. Dünn und zart und von weit her, aber doch ganz klar: Es war Musik, die der Wind mit sich trug.

[home]
    16 . Kapitel
    M argit hatte interessante Neuigkeiten für Wallner. Die Laborleute hatten die Plaketten, die man in den Mündern der beiden Opfer gefunden hatte, nebeneinandergelegt, fotografiert und das Foto im Computer bearbeitet. So hatte man etwa die Zahlen eliminiert, um freien Blick auf das eigentliche Bild zu bekommen. Dann hatten sie Unschärfe und Körnigkeit korrigiert und waren zu einem Bild gelangt, das an ein Gebirge erinnerte – so weit hatte man das allerdings auch vorher schon vermutet. Das Foto wurde sodann im Haus herumgereicht, in der Hoffnung, dass vielleicht einer sagen könne, es sei dieser oder jener Berg oder die Aussicht von diesem oder jenem Punkt im Gebirge. Und tatsächlich meldeten sich Mitarbeiter, doch ihre Vermutungen waren widersprüchlich. Etwa, das sei der Ortler oder das Zuckerhütl in den Stubaier Alpen, oder es handele sich ohne jeden Zweifel um ein Foto, das vom Großglockner aus aufgenommen worden war. Vergleiche mit Fotos der angegebenen Berge und mit Kartenmaterial hatten aber in keinem der Fälle zur Übereinstimmung geführt. Bis dann der Laborhausmeister Martin Schlohbichel das Labor betreten und gesagt hatte, das sei der Rastkogel und kein anderer Berg.
    Archivbilder konnten diese Behauptung nicht bestätigen. Das freilich lag, so Schlohbichel, daran, dass die zur Verfügung stehenden Fotografien alle von Süden aus aufgenommen worden seien, vermutlich von den Hauptbergen der Tuxer Alpen. Von Norden hingegen sehe der Rastkogel so aus, wie auf dem Foto. Der abgebildete Berg habe zwar, das musste auch Schlohbichel zugeben, wenig Charakteristisches, sei ein Durchschnittsberg, wie er in den Alpen an jeder Ecke stehe. Doch Schlohbichel, so stellte sich heraus, war aufgrund besonderer Umstände einer der wenigen, wenn nicht der einzige Experte für die Nordansicht des Rastkogels.
    Im Jahr 1979 war der jetzige Hausmeister ein sehr aktiver Bergsteiger gewesen. Er hatte ein Jahr zuvor sogar einen Achttausender bestiegen und träumte davon, sein Leben in der Art eines Reinhold Messner auf Expeditionen in die entlegensten Teile der Erde zuzubringen, dann und wann heimzukehren, Diavorträge in großen Sälen zu halten und Bücher mit beeindruckenden Fotos zu publizieren. Im Winter 78 / 79 endete Schlohbichels Lebenstraum. Schlohbichel bestieg einen unbedeutenden Berg der Tuxer Voralpen. Schlohbichel hätte es nicht einmal als Expeditionsvorbereitung bezeichnet. Es war im Grunde nur ein Warm-up. Doch Schlohbichel geriet in eine Lawine. Eigentlich hätte es den Lawinenwarnern zufolge gar keine Lawinen geben dürfen. Und eine Lawine, die diesen Namen verdient hätte, war es auch nicht. Nichts als ein paar Kubikmeter nasser Schnee, die ins Rutschen gerieten. Die Schlohbichel mit sich rissen, unter sich begruben, wenn auch nicht ganz. Der Kopf schaute noch heraus. Der Rest von Schlohbichel war im Schnee einzementiert. Ein paar Kubikmeter – das sagt sich wie nichts, sind aber mehrere Tonnen. Schlohbichel versuchte, irgendeine seiner Gliedmaßen zu bewegen. Aber es gelang nicht. Beide Beine, beide Arme wurden vom nassen Schnee umklammert wie von einer Schraubzwinge. Nach zwei Stunden

Weitere Kostenlose Bücher