Der Prinzessinnenmörder
eines Berges. Es ist sehr grobkörnig, aber wir vermuten, dass es sich um den Rastkogel in den Tuxer Voralpen handelt. Sagt Ihnen der Berg etwas?«
»Ja, wir hatten damals …«
Eltwanger brach den Satz ab und starrte unvermittelt vor sich hin, als sei ihm plötzlich eingefallen, dass er nicht sagen sollte, woran er gedacht hatte.
»Sie hatten damals …?«, versuchte Wallner den Faden aufzugreifen.
»Wir haben viele Touren in den Tuxer Alpen gemacht damals. Also bestimmt auch in der Gegend um den Rastkogel. Aber bergsteigerisch ist der Rastkogel uninteressant. Da gehen ja Lifte hoch.«
»Sie waren früher oft in den Bergen unterwegs?«
»Als Student. Ich war im Alpenverein. Bin ich immer noch, aber … na ja, ich zahle halt noch.«
»Wann haben Sie mit dem Bergsteigen aufgehört?«
»Das war … ich denke, so vor vierzehn Jahren. Ich habe damals in einer Unternehmensberatungsfirma gearbeitet. Das Pensum waren achtzig, neunzig Stunden die Woche. Da war ich froh, wenn ich zum Schlafen gekommen bin.«
»Sie kennen Bernhard Dichl?«
»Wir waren zusammen im Alpenverein, in der Sektion Miesbach. Ich habe damals noch in Fischbachau gewohnt. Sonst hatte ich nichts mit ihm zu tun. Ich glaube, wir haben uns seit damals nicht mehr gesehen.«
»Seit vierzehn Jahren?«
»Ja.«
»Was hatten Sie mit Dichl zu tun?«
»Wir haben gelegentlich Bergtouren gemacht. Also nicht zu zweit. Das war mehr, wenn der Verein Gruppenausflüge gemacht hat. Was weiß ich – Kurse im Eisklettern oder so was in der Art.«
Wallner erinnerte sich an das goldene Prinzessinnenkleid. »Auch Faschingsausflüge?«
»Kann sein. Ja, doch. Wir sind Fasching öfter Skifahren gewesen.«
»Hat mal irgendwer an Fasching ein goldenes Prinzessinnenkleid getragen?«
»Keine Ahnung. Ich glaube nicht. Wieso?« Im selben Moment schien Eltwanger die Bedeutung der Frage zu begreifen. »Ach so … Nein, ich kann mich nicht erinnern. Aber es kann schon sein. Wir haben uns natürlich kostümiert. Was vermuten Sie?«
»Nichts. Ich versuche, irgendeinen Zusammenhang zwischen den Einzelteilen herzustellen. Der Täter teilt uns mit, dass es eine Verbindung zu den Bergen gibt. Sogar relativ konkret zum Rastkogel. Falls wir das richtig deuten. Und sowohl Dichl als auch Sie sind früher Bergsteiger gewesen.«
»Das ist nicht ungewöhnlich, wenn man hier wohnt.«
»Stimmt. Andererseits fällt auf, dass Sie beide schon lange nicht mehr aktiv sind.«
»Was schließen Sie daraus?«
»Wenn es eine Verbindung zwischen Dichl und Ihnen und dem Mörder gibt, dann liegt das wahrscheinlich viele Jahre zurück. Sie können sich an nichts Ungewöhnliches erinnern, das mit Bernhard Dichl zusammenhängt? Irgendein gemeinsames Erlebnis?«
Eltwanger überlegte. Seine Miene war starr, aber seine Augen flackerten, und die Flügel seiner verunstalteten Nase bewegten sich. Eltwangers Stirn warf Falten. Es schien Wallner, als sei Eltwanger in einer verschütteten Gegend seiner Erinnerung auf etwas gestoßen. Als versuche er, durch den Nebel der Vergangenheit hindurchzusehen.
»Nein«, sagte Eltwanger. »Ich kann mich an nichts erinnern. Ich hatte wirklich nur sehr wenige Berührungspunkte mit Bernhard Dichl.«
Eltwanger rührte in den Schaumresten seines Cappuccinos. Es arbeitete sichtlich weiter in seinem Kopf.
»Wenn das alles Jahre zurückliegt – warum fängt dann jemand jetzt an, junge Mädchen umzubringen? Fünfzehn, vielleicht zwanzig Jahre später?«
Wallner zuckte mit den Schultern und schob seine leere Tasse weg. Eltwanger legte sein Portemonnaie auf den Tresen.
»Ich übernehme das. Gehen Sie zu Ihrem Essen«, sagte Wallner. Eltwanger stand auf.
»Nur aus Neugier …«, Wallner betrachtete Eltwangers Nase. »Waren Sie mal Boxer?«
»Nein. Ich habe mir die Nase bei einem Unfall gebrochen.«
Wallner verzog mitfühlend das Gesicht. »Muss übel gewesen sein.«
Eltwanger vollführte eine unbestimmte Geste. Seine Nase war ihm keine nähere Erklärung wert. Im Hinausgehen drehte er sich noch einmal um, als wolle er zurückgehen und Wallner etwas sagen. Einen Augenblick verharrte Eltwanger in diesem Zustand der Unentschlossenheit. Dann wandte er sich endgültig ab und ließ Wallner allein in der Hotelbar zurück.
Auf dem Weg zurück nach Miesbach machte Wallner einen Umweg über Schliersee. Der See war zugefroren und lockte allerlei Volk an, das dort Schlittschuh lief oder sich anderweitig auf dem Eis vergnügte. Die örtliche Gastronomie nutzte die
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