Der Prinzessinnenmörder
Bewegungen. Und immer gegen die Wuchsrichtung.«
»Du, ich rasier mich seit zwanzig Jahren.«
»Wennst meinst. Ich tät heut Abend übrigens an Schweinsbraten machen.«
»Ich bin zum Essen nicht da.« Manfred hatte ihn erwischt.
»Wo samma denn – heut Abend?«
»Weg. Ich geh aus.«
»Allein?«
Wallner wusch den Rasierschaum aus seinem Gesicht. Das Wasser im Waschbecken färbte sich rosa.
»Mach den Schweinsbraten doch morgen.« Wallner presste sich das Stück Klopapier an die Schnittwunde. Währenddessen begann Manfred in einer Schublade des Badezimmerschranks nach irgendetwas zu suchen.
»Was suchst du denn?«
Manfred tauchte aus der Schublade wieder auf. Er hatte eine Packung Kondome und eine Tablettenschachtel in der Hand. Die Kondompackung hielt er sich am ausgestreckten Arm vor die Augen.
»Kannst du des lesen, wie lang die haltbar sind?«
Wallner nahm die Kondome.
»Waren die für die Dame, die Geld haben wollte?«
»Glaub schon.«
»Dann sind sie abgelaufen.« Wallner warf die Packung in den kleinen Badezimmermülleimer. Manfred öffnete die Pillenschachtel. Auf der Schachtel war ein indianischer Federschmuck abgebildet. Manfred fummelte ein Tablettenblister aus der Schachtel und legte es auf die Waschmaschine.
»Wennst jetzt eine nimmst, bist heut Abend beinand wie ein Büffel. Aber nur eine. Sonst kriegst die Hosen nimmer zu.« Manfred zwinkerte Wallner anzüglich zu und keckerte tonlos in sich hinein. Wallner sah, dass die Hälfte der Pillenfächer leer war.
Das Telefon ersparte Wallners Phantasie einen Ausflug in die Abgründe von Manfreds verborgenem Sexualleben.
Zwanzig Minuten später war Wallner im Büro. Es war Samstagmorgen, und nur wenige Kripokollegen waren da. Den Anruf aus Dortmund hatte ein uniformierter Kollege angenommen. Einzelheiten waren dabei auf der Strecke geblieben. Lediglich, dass es einen Mord gegeben habe, war dem Kollegen erinnerlich. Und jemand aus Dortmund wollte Kriminalhauptkommissar Wallner sprechen. Offenbar war es dringend. Auch den Dortmunder Kripobeamten war ihr Wochenende heilig. Wallner wählte die angegebene Telefonnummer, bekam nur einen Polizisten an die Leitung, der nicht wirklich im Bilde war, aber Wallner mit großer Hartnäckigkeit eine Gesprächspartnerin bei der Kriminalpolizei beschaffte. Monika Mantinides hieß die Frau. Die hatte aber nicht in Miesbach angerufen. Das war der Kollege vom Kriminaldauerdienst gewesen, der als Erster mit der Sache befasst gewesen war, inzwischen aber Feierabend gemacht hatte und vermutlich schlief. Frau Mantinides war noch dabei, sich in den Fall einzuarbeiten. Die Ermittlungen der sich gerade konstituierenden Sonderkommission waren am Anlaufen. Soweit sie den Kollegen verstanden hatte, gab es augenfällige Parallelen zu den Morden im Miesbacher Landkreis. Das Beste sei wohl, wenn der Kollege Wallner selbst nach Dortmund käme und sich ein Bild mache. Dann könne man sich austauschen und ein etwaiges gemeinsames Vorgehen bereden.
Wallner wog die Optionen ab und entschied, das Flugzeug zu nehmen. Er rief Melanie Polcke an und sagte das Treffen für den Abend ab. Um 14 Uhr 35 bestieg Wallner die Maschine nach Düsseldorf, wo ihn Monika Mantinides eine Stunde später mit dem Wagen abholte. Kriminalhauptkommissarin Mantinides hielt nicht viel auf Mode. Ihre Kleidung war warm und winddicht, Jeans, ein Pullover mit Applikationen, darüber ein Trenchcoat. Das Muster der Wollmütze ließ vermuten, dass sie nicht gewählt worden war, um zum Pullover zu passen. Die Kommissarin hatte rotblond gefärbte Haare mit grauem Ansatz. Im Auto telefonierte Monika Mantinides mit ihrem Mann. Dem hatte sie die Aufgabe zugewiesen, die gemeinsame Tochter Leonie zum Eislauftraining zu bringen. Das jedoch war Herrn Mantinides nicht möglich, weil sich im Haus keine saubere Strumpfhose fand, die in Material und Farbe – bei der Tochter schienen andere modische Kriterien zu gelten – zum Eislaufkostüm passte. Monika Mantinides vertraute Wallner an, dass sie bevorzugt am Samstag arbeite, da es an diesem Tag andernfalls leicht zu Streitigkeiten mit ihrem Ehemann komme. Man sei am Samstag nämlich, anders als unter der Woche, den ganzen Tag zusammen und verbringe die Zeit mit Tätigkeiten, die ein hohes Maß an Nervenstärke erforderten. Einkaufen in der Stadt, Einkaufen im Heimwerkermarkt, Einkaufen bei IKEA oder – zwischen den Einkäufen – die Fahrdienste für die achtjährige Tochter. Nachdem Wallner den Verlauf
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