Der Prinzessinnenmörder
der Liste Genannten wohnte jetzt in Unna? Es war natürlich nicht zwingend, dass der Täter in Unna wohnte. Er konnte die Kappe auch nur in einem Geschäft dort gekauft haben. Von Aplerbeck nach Unna sind es nur ein paar Kilometer. Aber da Unna nicht eben als Einkaufsparadies bekannt war – da fuhren die Leute eher nach Dortmund –, sprach einiges dafür, dass der Täter dort wohnte. Es war zumindest eine Chance.
Kurz vor 19 Uhr lag eine Liste mit sechs Namen vor. Die Namen lauteten:
Ewald Hillar
Ronald Katzek
Hannes Keyl
Kurt Kretzschmarek
Georgios Panopoulos
Peter Rathberg
Wallner ließ die Liste auch an das Bezirkspolizeikommando Schwaz mailen, damit Mike in den Polizeiakten von 1990 nach einem dieser Namen suchen konnte.
Gegen 19 Uhr 45 rief Mike an und meldete, was er bisher recherchiert hatte. Es war einiges. Denn der Faschingsdienstag des Jahres 1990 war reich an Ereignissen, die Eingang in die Polizeiakten gefunden hatten. Der Bezirk Schwaz erstreckte sich in Nord-Süd-Richtung von der bayerischen Grenze über die gesamte Breite des Landes Tirol bis an die italienische Grenze. Unter anderem gehörte das Zillertal mit seinen zahlreichen Skiorten dazu. Am Faschingsdienstag ging es traditionell hoch her in den Skigebieten. Und das war auch 1990 nicht anders. Bereits tagsüber gab es mehrere Schlägereien unter Beteiligung vor allem ausländischer Touristen. Am späten Nachmittag dann hatte ein schwedischer Skifahrer in alkoholisiertem Zustand eine holländische Skifahrerin gerammt und ihr mit der Stahlkante seines Skis die Halsschlagader aufgeschnitten. Der Schnitt war von niemandem bemerkt worden, weil die Frau unter Schock stand und sich der Kragen des Skianoraks über die Wunde geschoben hatte. Die Frau war auf dem Weg ins Krankenhaus verblutet. Des Weiteren gab es in der Nacht auf Aschermittwoch zwei Verkehrsunfälle, bei denen insgesamt fünf Menschen starben, und etliche weitere Unfälle mit Schwerverletzten. Es hatte in der Nacht stark geschneit. Mike hatte die Namen sämtlicher Betroffener mit der Aplerbeck-Liste verglichen. Ohne freilich Übereinstimmungen festzustellen.
Wallner sagte Mike, er solle die Daten von allen Personen schicken, die an den Unfällen beteiligt waren. Man musste jeden Einzelnen überprüfen. Vielleicht ergab sich ja doch irgendein Hinweis. Die Liste aus Aplerbeck hatte nichts gebracht, war aber auch nicht mehr als eine kleine Chance gewesen. Sie enthielt nur Namen von Patienten, die zwangsweise eingewiesen worden waren, und war daher bei weitem nicht vollständig. Außerdem hatte Mike nur die Namen der Personen, die jetzt in Unna wohnten. Sobald Mike die Liste aus Schwaz geschickt hatte, würde man sie mit der vollständigen Liste aus Aplerbeck abgleichen. Die Überprüfung der Unfallopfer würde die gesamte SoKo auf absehbare Zeit beschäftigen, und Wallner hatte keine Ahnung, ob sie damit überhaupt auf der richtigen Spur waren.
Kurz nach zwanzig Uhr kam Tina zu Wallner und brachte ihm ein Gesprächsprotokoll, das aus Dortmund gefaxt worden war. Es handelte sich um die Vernehmung einer Astrid Mikulai. Wallner fragte, wer das sei. Tina sagte, das sei die Erzieherin, die nach dem Mord in Dortmund einen Nervenzusammenbruch erlitten hatte und deshalb von Wallner nicht vernommen werden konnte. Sie habe offenbar eine engere Beziehung zu Helmut Lettauer gehabt, dem Jungen, der in Dortmund ermordet worden war. Wallner erinnerte sich wieder. Auch als Leiter der SoKo konnte er nicht alle Namen im Kopf behalten, die im Zuge der Ermittlungen auftauchten.
Wallner überflog das Vernehmungsprotokoll. Er schenkte sich dabei den letzten Rest Kaffee aus der Thermoskanne ein, in die die Sekretärin den Kaffee aus der Maschine umfüllte, bevor sie kurz nach fünf das Büro verließ. Es war eine Vorsichtsmaßnahme. Zu oft sei es vorgekommen, so die Begründung, dass der Letzte nachts vergessen habe, die Kaffeemaschine auszuschalten. Am nächsten Morgen habe es nicht nur elendiglich gestunken, auch sei die Glaskanne durch den eingebackenen Kaffeesud derart verschmutzt gewesen, dass an eine Reinigung in der Spülmaschine nicht zu denken war. Wallner trank mehrere Schlucke der lauwarmen, ölig-bitteren Flüssigkeit und hoffte, sie würde ihn wach halten.
Die Aussage von Astrid Mikulai enthielt nichts, was Wallner weiterbrachte. Frau Mikulai beschrieb den Lebens- und Leidensweg ihres Schützlings und ihre steten Versuche, Helmut Lettauer zu einem normalen Leben zu
Weitere Kostenlose Bücher