Der Privatdozent
es noch einen gibt, mit dem du Spaß hast, bevor es wieder zur Sache geht.”
„Aber was ist, wenn Marco – also der Kehlmann – dann sauer wird?”
„Du hast dich in ihn verknallt!”, platzt Mara heraus.
„Nein”, wehre ich viel zu schnell ab.
„Und ob!” Dann legt sie wieder ihr nachdenkliches Gesicht auf. „In dem Fall musst du ihm erst recht die Wahrheit sagen. Ich meine, wenn das wirklich was werden soll mit euch …”
„Ich weiß es nicht”, gebe ich niedergeschlagen zurück. „Wie soll ich ihm das denn sagen? ‚Pass auf, ich hab mit dir gevögelt und gleich danach mit meinem Mitbewohner rumgemacht, aber ich bin ja nur in dich verknallt und es tut mir ganz doll leid.’ So etwa? Klingt scheiße, oder nicht?” Ich schüttele den Kopf.
„Vielleicht solltest du einfach erst mal zu ihm gehen und überhaupt ein Gespräch anfangen, anstatt … Na ja, du weißt schon.”
„Ja, vielleicht”, sage ich und weiß natürlich, dass sie absolut recht hat. Aber zwischen diesem Wissen und den zahllosen Möglichkeiten, die mich da oben unangenehmerweise erwarten können, lässt sich nicht so einfach vermitteln.
„Und was ist mit deinem Mitbewohner?”, fragt Mara unerwartet.
„Mit Lukas? Was soll mit ihm sein?”
„Bist du auch in den – verknallt?”
„Nee”, sage ich wieder viel zu schnell.
„Oh je”, macht Mara und verdreht wieder die Augen. „Also, wenn ich dir schon helfen soll, dann kannst du mir zumindest auch die Wahrheit sagen. Das macht es ein wenig einfacher, weißt du?”
„Ja, okay, vielleicht ein bisschen verknallt”, gebe ich zu. „Aber das wird eh nichts, weil er nicht schwul ist …”
„Und das hat er dir beim Knutschen gesagt?” Mara lacht.
„Klingt irgendwie doof, oder? So richtig glaub ich auch nicht mehr dran. Aber ich weiß momentan eh nicht, was ich noch glauben soll …”
„Mein Rat bleibt jedenfalls: Rede mit ihnen!”
Ich seufze. „Muss ich wohl, was?”
„Ja”, Mara lächelt mich bitter an. „Du hast ja jetzt meine Nummer und kannst mich anrufen, wenn du drüber sprechen willst.”
„Okay.”
Dann verabschieden wir uns, weil Mara in ihr nächstes Seminar muss. Und ich eigentlich auch. Aber bei Vorlesungen nehmen sie es mit der Anwesenheit nicht so genau, also kann ich mir noch eine Fehlstunde leisten. Oder ich gehe nach dem Gespräch noch hin …
Das Gespräch … Bei dem Gedanken wird mir ganz anders. Trotzdem steige ich wieder in den Aufzug und fahre ganz nach oben. Auf dem Flur ist es totenstill. Jetzt habe ich fast eine Woche lang auf dieses Wiedersehen gewartet und mir eine Million Gedanken dazu gemacht, aber dass ich mit einem so verzweifelten Gefühl vor Marcos Büro stehen würde, das habe ich mir nicht ausgemalt.
Alle guten Dinge sind …
Alle guten Dinge sind …
Ich klopfe zaghaft, bevor ich die Tür öffne. Marco sitzt an seinem Schreibtisch und füllt ein Formular aus. Dann sieht er auf und lächelt irgendwie zurückhaltend.
„Hi”, sage ich, „kann ich reinkommen?”
„Klar”, antwortet Marco knapp.
„Du, ich wollte …”
„Moment, ich bin gleich für dich da.”
Wir duzen uns noch, aber es klingt irgendwie fremd in meinen Ohren. Warum eigentlich? Wir waren uns letzte Woche so nah, wie man sich nur sein kann. Ich beobachte das Spiel seiner Armmuskeln, das sich unter dem Hemd abzeichnet, während er seine Büroarbeit macht. Seine kleinen Kringellocken, die von dem Haarband zurückgehalten werden, sind wieder perfekt gegelt. Letzte Woche habe ich meine Hände in ihnen vergraben und er hat nichts dazu gesagt, hat mich einfach machen lassen. So ordentlich, wie er ist, er mag es offenbar auch, wenn das Chaos die Zügel in die Hand nimmt.
Dann legt Marco sein Papierzeug beiseite und sieht mich an. In seinen Augen stehen Freude und Unsicherheit. Vielleicht ahnt er schon was?
„Ich wollte … Ich muss – mit dir reden”, bringe ich stotternd hervor.
Er presst die Lippen aufeinander, als ob er sich auf unangenehme Nachrichten gefasst macht. Zu recht.
„Ich – also … Ich will gern wissen, wie wir zueinanderstehen”, sage ich bemüht.
„Ach so.” Er lächelt unerwartet.
„Ach so?”, frage ich dümmlich.
„Ich dachte schon, wir hätten wegen letzter Woche ein Problem.” Seine Stimme klingt richtig erleichtert.
„Vielleicht haben wir das …”, bemerke ich leise.
Marcos Lächeln erstirbt langsam. „Oh”, macht er. Dann räuspert er sich. „Ich weiß, dass das alles andere als professionell war
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