Der Privatdozent
möglicherweise ziemlich negativ auf mich auswirkt. Dabei sollte ich mich eigentlich lieber für die beiden freuen, weil Mara es wirklich verdient hätte und Lukas, na ja, es würde seiner Selbstfindung sicher gut tun. Aber warum muss ausgerechnet ich da mitten drin stecken?
„Lässt du mich rein?”, fragt Lukas nach einer Weile.
Wortlos drehe ich den Schlüssel um. Als Lukas hereinkommt, hat er ein freches Grinsen drauf. „Magst du mit mir duschen?”
„Nein”, sage ich ernst, aber sein Kuss lässt mich doch das Gegenteil tun …
Immerhin, es bleibt beim gegenseitigen Einseifen, ein paar heißen Küssen und abschließendem Handbetrieb. Ist ja schon mal ein Anfang. Alles andere hebe ich mir für Marco auf. Und siehe da, nachdem Lukas zur Arbeit ist, bleibt mir genügend Zeit zur Körperpflege, zum Anziehen und für den Weg zur Uni, ohne dass ich mich hetzen muss. Doch anstatt zum ersten Mal in diesem Semester mein Seminar über den Sprachwandel noch vor dem Beginn zu besuchen, zieht es mich in das Gebäude der Wirtschaftswissenschaften. Wie in Trance fahre ich nach oben und gehe den Flur entlang zu Marcos Büro. Wie wenig ich doch über ihn weiß! Ich habe nicht mal eine Ahnung davon, an welchen Tagen er überhaupt in der Uni ist. Und von seiner Sprechstunde habe ich auch nur erfahren, weil sie uns schon zweimal in unserer Leidenschaft gestört hat. Was für Seminare bietet er eigentlich sonst noch an?
Die Tür ist verschlossen. Plötzlich fühlen sich meine Beine so schlapp an, dass ich befürchte, jeden Moment zusammenzubrechen. Also lasse ich mich mit dem Rücken an der Tür hinunterrutschen und bleibe sitzen. Irgendwann nehme ich mein Handy und betrachte Marcos Nummer. Aber ich wähle ihn nicht an. Stattdessen frage ich Mara per SMS, ob wir uns in der Pause treffen sollen. Als ein paar Minuten später ihre Antwort kommt, erfahre ich, dass sie heute zu Hause geblieben ist. Sie fühlt sich nicht so. Okay, das kann alles bedeuten, aber ich habe den Verdacht, dass es doch eher was mit dem gestrigen Abend zu tun hat. Also ringe ich mich dazu durch, ihr zurückzuschreiben, ob ich vorbeikommen soll. Auf Uni habe ich heute auch keine Lust mehr. Überhaupt fühle ich mich absolut lustlos. Diesmal erhalte ich keine Antwort. Wieder rufe ich Marcos Nummer auf. Nein, ich werde auf keinen Fall anrufen. Dass ich ihm jetzt schon vor seinem Büro auflauere, ist schon schlimm genug. Keine Ansprüche, das gilt für beide Seiten. Was würde ich dafür geben, wenn ich jetzt nicht allein sein müsste …
„Hey”, sagt Marco erstaunt, als er auf den Flur tritt.
„Hey”, gebe ich überrascht zurück. Schnell springe ich auf und lasse mein Handy in die Hosentasche gleiten. Dabei komme ich wohl ungünstig auf die Tasten und plötzlich klingelt es aus Marcos Tasche.
„Verdammt”, sagt Marco und kramt sein Telefon hervor. „Das Mistding klingelt schon den ganzen Morgen wie verrückt …” Dann runzelt er die Stirn. „Du rufst mich an?”
„Ich – äh …” Fahrig zerre ich mein Handy wieder hervor. Langsam dämmert mir, was passiert ist und ich breche den Anruf ab. „Entschuldige …”
Marco sieht mich prüfend an. Ich werde knallrot, weil ich weiß, dass er jetzt weiß, dass ich hier vor seiner Bürotür auf ihn gewartet und seine Handynummer angestarrt habe …
„Kein Problem”, sagt Marco schließlich. „Willst du mit rein?”
„Mmh”, mache ich nur, obwohl ich gar nicht weiß, was ich eigentlich will.
„Hast du viel zu tun?”, frage ich beiläufig, während ich die Tür hinter mir schließe.
„Mein Vater dreht langsam durch”, sagt Marco. „Wir haben einen großen Kunden verloren und da ist die Lage ein wenig angespannt.”
„Was macht ihr denn?”
„Unternehmensberatung.”
„Aha”, mache ich. So richtig kann ich mir nichts darunter vorstellen, aber es hat ganz sicher mit allen BWL-Vokabeln zu tun, die Marco bislang im Seminar von sich gegeben hat.
„Und was machst du?”, fragt Marco zurück.
„Ich? Ach, ich arbeite nur in den Semesterferien. Mein Vater hat mir einen Job bei seinem Arbeitgeber besorgt. Schichtbetrieb. Ist ganz easy und bringt viel Kohle.”
„Interessant”, sagt Marco und grinst mich irritiert an. „Ich meinte aber, was du jetzt gerade machst.”
„Ach so …” Wieder werde ich rot. Ja, was mache ich hier? Verzweifelt Nähe suchen? „Also – ich dachte … pfff … Ehrlich gesagt, ich hab keine Ahnung.”
„Ist alles in Ordnung?”
Jetzt fragt Marco
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