Der Problemmann (German Edition)
Kaffee trank. Mit wilden Gesten versuchte sie dem freundlichen jungen Mann hinter dem Tresen klar zu machen, dass sie dringend einen Internetzugang brauchte. Wie auch immer sie es schaffte ihm verständlich zu machen, was sie wollte, eine halbe Stunde später saß sie an seinem privaten Rechner und tippte wie besessen die erste Kurzgeschichte in die Tastatur. Unglaublicher Weise hatte der junge Mann tatsächlich einen Scanner. Etwas verlegen hielt Anna ihm ihre Skizzen entgegen und wurde augenblicklich rot, als er erkennen konnte worum es sich bei ihren Bildern handelte. Ein breites Grinsen legte sich über sein Gesicht. Er sagte ihr etwas auf Italienisch, was sie selbstverständlich nicht verstehen konnte und doch wusste sie, was er ihr damit hatte sagen wollen. Anerkennend sah er sie an und tat worum sie ihn gebeten hatte. Endlich nach vier Stunden harter Arbeit und einem vorzüglichen Mittagessen, hatte sie die Taste zum senden gedrückt. Immerhin hatte dieser Umstand sie vergessen lassen, wie einsam sie war und das sie nun in ein Haus zurückkehren musste, das vor Leere nur so strotzte und sie jede Minute daran erinnern würde wie Verlassen sie sich fühlte. Sehr langsam fuhr sie mit dem Fahrrad zum Haus. Es wäre ihr Recht gewesen, wenn sie nie dort angekommen wäre. Plötzlich vibrierte es in ihrer Tasche und erinnerte sie daran, dass sie Geburtstag hatte. Endlich rief Melanie an. Anna blieb mitten auf dem Feldweg stehen und war froh, dass der Regen ein einsehen und schon seit dem sie am Morgen losgefahren war, ein Pause eingelegt hatte. Dennoch war es frisch, die Erde roch anders. Matsch hatte sich unter Annas Füßen gebildet und ihr wurde kalt, da sie zuvor durch das Fahrradfahren angefangen hatte zu schwitzen. In kurzen Worten berichtete Anna Melanie von dem was sich bisher zugetragen hatte. Sie musste sich kurz fassen, ihre Pre-Paid-Karte hatte nur noch wenig Guthaben nach dem langen Gespräch mit Sabine übrig gelassen.
„Dich kann man aber auch keine Sekunden allein lassen“, sagte Melanie nachdem Anna geendet hatte.
„Was soll ich denn nun machen? Er ist verheiratet. Ich kann doch kein Verhältnis mit einem verheirateten Mann eingehen.“
„Warum nicht? Das hat auch durchaus Vorzüge.“
„Melanie, das geht nicht. Ich wäre die andere Frau. Ich bin der Übeltäter und in der Rolle würde ich mir nicht gefallen.“
„Und was ist mit Tom?“
Das erste Mal nach zwei Wochen dachte Anna wieder an Tom. Den hatte sie komplett vergessen.
„Was soll mit dem sein? Er ist lediglich ein Freund.“
„Ja, ja, das sagtest du schon mal. Ich glaube dir kein Wort. Da ist doch was zwischen euch.“
„Nein, sicher nicht. Vergiss es. Ich muss jetzt Schluss machen. Du weißt das Geld.“
Auf der einen Seite freute sich Anna, dass Melanie angerufen hatte, aber ständig brachte sie das Gespräch in eine Richtung, die Anna missfiel. Kaum hatte Anna ihren Weg weiter fortgesetzt, tropfte es auf ihr Gesicht. Vorerst zögerlich, aber schnell verdunkelte sich der Himmel bedrohlich. Ungeahnte Wassermassen fielen vom Himmel und Anna war in Sekunden durchnässt. Anfänglich trat sie schneller in die Pedale, um das Schlimmste zu verhindern. Bald musste sie einsehen, dass es zwecklos war und sie bereits bis auf die Unterhose nass. Lediglich ihre Unterlagen blieben glücklicherweise trocken, die sie vorsorglich in ihren Wasserdichten Rucksack verstaut hatte. Sie streckte ihr Gesicht in den Himmel und ließ die Regentropfen auf ihre Haut prasseln. Ein befreiendes Gefühl durchfloss sie. Laut schrie sie auf.
„Ihr könnt mich alle mal am Arsch lecken.“
Geradezu hysterisch fing sie an zu lachen. Dieses Lachen verwandelte sich schnell in ein schluchzendes Weinen. Die Luft blieb ihr weg. Ihr Leben war die Aneinanderreihung von Katastrophen. Nichts lief so, wie sie es sich vorgestellt hatte. Ab dem heutigen Tag war sie 30 Jahre alt. Eine neue Dekade würde beginnen und sie war davon überzeugt, dass es ebenso furchtbar weitergehen würde, wie die letzte geendet hatte. Dabei hatte sie inständig gehofft, dass es mit dem neuen Jahrzehnt endlich besser werden würde. Sie hatte sich vorgenommen einen Mann zu finden, Erfolg mit ihren Büchern zu haben und endlich nicht mehr in der Versicherung arbeiten zu müssen. All ihre Wünsche und Ziele schienen in endlose Ferne gerückt zu sein.
Tropfnass betrat sie das Haus. Noch immer rannen ihr Tränen das Gesicht hinunter, was auf ihrem nassen Gesicht keine Rolle spielte.
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